Innere Freiheit – Soziale Verantwortung: Wege finden in eine menschliche Zukunft
Auf dem Rand der beeindruckenden Bühne des großen Saales, der während der Tagung 1100 Teilnehmer aus 59 Ländern zusammenführen wird, sitzt ein kleines Volk. Etwa 40 Waldorfpuppen in verschiedenen Größen von Baby bis Puppenschulkind, teilweise in landestypischer Tracht, schauen in die Menge. Wir erfahren, dass sie angereist sind, um ein neues Zuhause irgendwo in der Welt zu finden und dass man sie im Rahmen einer Tombola am letzten Abend der Tagung gewinnen könne! Allen Anwesenden wurde warm ums Herz und der Verkauf der Lose im Foyer des Goetheanums, wo man den Puppen jederzeit hautnah begegnen konnte, war ein großer Erfolg.
Der Klang der vielen Sprachen, die reiche Fülle der Gespräche und Begegnungen, die Möglichkeit, über fünf Tage einzutauchen in die Gemeinschaft, verwandelten das Goetheanum in einen Bienenkorb. Gemeinschaftsbildung im Saal bei den Vorträgen und künstlerisch herausragenden Veranstaltungen, in denen doch jeder trotz der großen Menschenmenge einen Platz fand – ob bei den 35 Gesprächsgruppen im Anschluss an die Vorträge, in denen vielsprachig und anhand unterschiedlichster Methoden die Inhalte bewegt, reflektiert und vertieft wurden, oder bei den mehr als 70 Workshops, in denen an den wertvollen Impulsen, Wegen und Möglichkeiten der Waldorfpädagogik des ersten Jahrsiebts gearbeitet wurde. Viele der Teilnehmenden haben weite Wege und große Mühe aufgewandt, um nach Dornach in die Schweiz zu kommen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Stiftungen und Institutionen haben für den Reisekostenfond unterstützend gespendet, alle Dozenten verzichteten auf ein Honorar.
Die Vorträge am Vormittag wurden von Rednertandems präsentiert, jeweils ein Mann und eine Frau sprachen zu verschiedenen Facetten des Tagungsthemas.
Beziehung öffnet den Weg in die Zukunft –Stefanie Allon und Claus-Peter Röh
„Wir kommen nur voran, wenn wir im Kreis denken!“ Dieser Satz aus dem Vortrag schwang wie ein Motto durch die Tagung. Es entstand ein Bild der Entwicklung der waldorfpädagogischen Erziehungsarbeit in der ganzen Welt auf Grundlage der Ideen Rudolf Steiners und verkörpert durch die große Anzahl der Kinder des letzten Jahrhunderts. Ungezählte freudige Momente, aber auch ungezählte Hindernisse, die uns weitergebracht haben. Das steigende Bewusstsein für Kindererziehung in der Gesellschaft und der Kampf für Kindheit in Zeiten der zunehmenden Automatisierung, die den natürlichen Zugang zur körperlichen Entwicklung verhindert. Die Kinder sind individualisierter und wacher, finden aber nicht den Weg zu ihrem Körper. Kinder werden nicht erwachsen geboren, sie brauchen Schutz. Beispielhaft für die Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld des Kindes seien hier die Auflösung der tradierten Familienformen, die Verunsicherung der Eltern und der materielle Überfluss genannt. Der Einfluss des Staates wächst, weil Kindererziehung institutionalisiert wird. Sicherheitsdenken, Druck und Kontrolle vom Staat bestimmen die Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen. Dabei sind Kinder Gestalter, sie lieben die Form. Sie tragen diese Kräfte in sich. Sie wollen sich in der Welt inkarnieren, das ist ein plastischer, künstlerischer Moment, der auch das Soziale in der Umgebung fordert. Welche Umgebung geben wir dem Kind, damit es in diesen künstlerischen Prozess eintauchen kann? Wie sind wir miteinander in Beziehung? Wie fühlen wir mit den Eltern, den Kindern? Wir brauchen mehr Solidarität und Verständnis sowie Erziehungskunst, sodass jedes Kind seine eigene Lebensmusik komponieren kann. Wir müssen lernen, in unserem Denken „hin und her tanzen“ zu können, und wir müssen das wirkliche Leben in den Kindergarten bringen.
Lebenskunst gebiert Erziehungskunst – Clara Aerts und Christof Wiechert
Woran erkennt man, dass es im Kindergarten gut läuft? Mit dieser Fragestellung , die eine sinnliche Wahrnehmung in einem zeitlosen Raum hervorruft, in dem Übergänge fließen und eine pulsierende Herzschlagatmosphäre spürbar ist, beginnen Clara Aerts und Christof Wiechert ihr Vortragsgespräch. Im Mittelpunkt steht der Erziehende, mit seiner inneren Einstimmung, seinem seelischen Gleichgewicht, seiner Selbsterziehung. Das alte Bild des Kindergartens als von einer Mauer umgebenen geschützten Welt wird hinterfragt. Die Eltern stehen häufig auf der anderen Seite der Mauer, sie fühlen sich nicht einbezogen. Sie sollten Teil der „Mauer“ sein, die heute mehr eine Membrane, ein Filter sein sollte um einen Schutzraum des Ätherischen. Die Energie, die in der Mauer steckt, ist die Liebe für die Kinder, die Kraft für das Verstehen. Wenn wir uns in der Mauer abkapseln, werden wir abgelehnt. Wie empfangen wir also die Welt?
Wir leben in einer Zeit der Bewusstseinsseele. Sie ist die Mitte zwischen dem Gefühl und dem Denken und öffnet einen Raum, in dem bewusstes Handeln entstehen kann. Gesellschaftlich leben wir in einer Zeit der Polarisierungstendenz, der Fragmentierung. Verabredungen zerfallen, Desintegration entsteht.
Wir brauchen die Entwicklung eines neuen Denkens zur Bewusstseinsbildung! Hier erinnerten die Vortragenden an die Nebenübungen Rudolf Steiners und die Bedingungen des Schulungsweges zur Erziehungskunst. Der Menschheitsrepräsentant wird von den Vortragenden abschließend als Bild für das Entstehen dieser Haltung in Weisheit, Liebe und Kraft zum selbstlosen und treuen Helfer der Menschheit gegeben.
Das Soziale als Kunst – Sabine und Gerald Häfner
Das Ehepaar Häfner wagt erstmals öffentlich einen gemeinsamen Vortrag. Es geht um die Frage der Selbstverwaltung in den Waldorfkindergärten. Durch die Jahrtausende hat sich der Mensch entwicklungsgeschichtlich mehr und mehr von dem Ideal der Verbundenheit aller mit allem entfernt und ein Einzelbewusstsein entwickelt. Das moderne Credo ist, dass das größtmögliche Heil entstehe, wenn jeder Mensch seine eigenen Interessen verfolge. Wir erleben, wie Gesellschaft zerfällt. Eine Richtungsänderung ist notwendig! Die Zerrissenheit der Welt, die im ersten Weltkrieg zum Ausdruck kam, die von West und Ost differenziert vertretene Auffassung von Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit bewog Rudolf Steiner vor 100 Jahren zur Gründung der ersten Waldorfschule als Labor für eine neue Gesellschaft und große Idee des Sozialen! Das Kind will erkannt werden, dazu braucht es die Verbindung der Institution zum Umfeld der Elternhäuser. Eltern sind einbezogen in die Gesellschaft und stehen dort unter großem Druck. Wie kann man sie als Mitgestalter erreichen? Wie gelingt die Balance im Spannungsfeld von Autonomie und Notwendigkeit? Wie verwalten wir unseren Kindergarten und wem gehört er? Dies sind Fragestellungen, für die durch die Selbstverwaltung Bewusstsein geschaffen wird. Denn die Pflege des waldorfpädagogischen Impulses geht über die Pädagogik hinaus. Was heißt also zeitgemäße Waldorfpädagogik? Erwartungshaltungen schaffen Mauern, wir müssen die Kinder und Eltern so annehmen, wie sie sind! Dann kommt der Himmel auf die Erde. Wir müssen aus der Sache heraus überzeugen! Sozial miteinander fühlen, handeln und denken, dafür brauchen wir den Anderen, den Nachbarn, und sollten ihm auch etwas zutrauen. Das Verstehen liegt dabei nicht im Wort, sondern ich darf auch nur spüren. Rudolf Steiner hat uns dafür den kosmischen Gedanken gegeben, dass wir zwölf verschiedene Weltanschauungen gleichzeitig denken können sollten, um dem Sozialen nahe zu kommen.
Wege, um die Kinder auf eine soziale Zukunft vorzubereiten – Sylvia Jensen – Florian Oswald
Kindergärten arbeiten nicht so sehr mit Worten wie die Schule, sondern mehr mit Taten. Wir segeln auf dem Ozean der ewigen Menschwerdung und brauchen Anhaltspunkte, um uns zu orientieren. Sylvia Jensen fasste ihre Gedanken dazu im Bild des Leuchtturms zusammen. Übertragen auf unsere Aufgabe im Kindergarten heißt dies, dass sein Fundament aus der Arbeit an der Menschenkunde und Geheimwissenschaft besteht. Steigt man auf diesem Weg hinauf über Treppen, durch Türen und mit dem Blick aus den Fenstern, so kann man ein ausstrahlendes Licht werden. An einem Bild von Rembrandt mit der Heiligen Familie macht sie die Beziehungen zur geistigen Welt deutlich. Die geistige Welt ist so interessiert an dem, was wir tun! An unseren Taten, an unseren Worten und an unserer Art, also an unserem Ausdruck und unserer Gesinnung. Wie sind wir Erwachsene Vorbilder in der Vorbereitung der Kinder für die soziale Zukunft? Wir haben die Aufgabe, die Bildekräfte zu schützen und zu nähren. Der Kopf ist bereits so weit entwickelt, aber der Leib braucht die Stärkung seiner Kräfte. Frau Jensen weist auf die Qualitäten hin, die für das Soziale maßgebend sind und die im Spiel geübt werden: das Vertrauen, die Kreativität, das Verzeihen, die Ausdauer, die Offenheit. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Bedingungen für ein Gelingen dieser Prozesse geschaffen werden. Der Samen des Willens ist im Kindergarten erkennbar, den müssen wir stärken, die Wurzeln nähren. Florian Oswald verstärkt diese Gedanken über die Fragestellungen zur Inkarnation der Kinder und ihre Impulse, die sie mitbringen. Aus der alltäglichen Auseinandersetzung, aus der Polarität des Staunens und des Beeindruckt-seins entsteht ein Bewusstsein für die Aufrechte, das neue „I“. Die soziale Herausforderung ist es, alles zusammen zu bringen. Es braucht eine Transformation und darin das Erlebnis, ein Werdender zu sein und dies auch authentisch nach außen zu vertreten. Picasso sagte einst: „Die Aufgabe des Lebens ist es, wieder jung zu werden.“ Daraus erschließt sich, dass man alt wird, wenn man stecken bleibt. Wir sollten uns fragen, was hinderlich ist für die Gemeinschaft, was ist förderlich? Wir müssen das Denken mit dem Herzen verbinden. Nur aus der Verbindung kann etwas Neues entstehen, aus der Verbindung mit der geistigen Welt.
Wie also werde ich Leuchtturm?
Was fragen uns die „schwierigen“ Kinder? – Lakshmi Prasanna und Michael Kokinos
Die letzten Vortragenden sind nicht in der Pädagogik tätig. Frau Prasanna aus Indien ist Kinderärztin und Herr Kokinos ist Physiotherapeut, Sie arbeiten zusammen in einer Einrichtung mit Kindern aus dem Autismusspektrum. Sie bemühen sich, in ihrer Arbeit das Unsichtbare zu sehen, und Hände wie Ohren zu benutzen. Sie leben und wirken aus der Haltung heraus, dass der wahre Mensch innen ist. Am Beispiel von zehn sensiblen Kindern, die nicht gesprochen, aber über ihre Wahrnehmungen geschrieben haben, über ihre „Suppe von Körper“ oder ihr Unvermögen zu wissen „wo meine Hände enden“, nehmen sie die Tagungsteilnehmer mit in diese reiche Innenwelt. Die Verbindung zwischen dem Kind und dem Erzieher/Lehrer bezeichnen sie als „Operation Liebe“, als Schlüssel für das Tor zur Welt dieser Kinder. Die Kinder fragen: Kann ich mein Wesen tragen und werde ich von allen um mich herum getragen? In diesem kreativen Prozess von Vertrauen und Individualisierung liegt der Sozialimpuls der Zukunft. Die Kinder brauchen für ihre gesunde Entwicklung Nahrung, auch die Nahrung unserer Gedanken! Wann aber sind sie echte Nahrung? Es braucht ein Verstehen der zurückliegenden Generationen der Eltern und Großeltern. Körper ist geronnener Geist. Ich kann ihn also auf dieser Ebene ausdehnen und mehr in ihn hineinnehmen. Das ist sozial. Wie trifft das Ich des Lehrers das Ich des Kindes? Sie empfehlen, nur die eigenen Leibesssinne zu benutzen, um den anderen zu verstehen. Wenn ich alle zwölf Sinne benutze, werde ich autistisch. Ich muss das Bewusstsein verlieren, damit ich dem Wesen des Kindes in meinem Wesen begegnen kann. Das Soziale der Zukunft ist also transformierte physikalische Seelensubstanz oder lebendige physikalische Substanz. „Eine Brücke ist der Mensch ...“(Zitat aus dem Weihnachtsvortrag Rudolf Steiner 24.12.1920)
Im Schlussplenum trugen Claus-Peter Röh und Stefanie Allon Eindrücke und Impulse der Tagung zusammen. Das Denken im Kreis ist im Laufe der Tagung zu einer gemeinsamen Bewegung geworden. Worte, Tanzen, zusammen singen, der Kreis der Kerzenlichter um das Goetheanum beim Bunten Abend haben uns verbunden und das Bild hat sich zum Leuchtturm gewandelt, der sein Licht nun in die Welt strahlt. Wiederholt wurde das Bild der Mauer für den Schutz der Kindheit hinterfragt. Nach dem Verständnis Steiners hat dies mit dem Auftrag der Eltern an uns zu tun, einen Raum zur Entwicklung des Kindes zur Verfügung zu stellen. Wir sind Bausteine in dieser Mauer für ein gemeinsames Verständnis. Wir müssen die Schlüsselfinder sein, dann öffnen wir die Türen zueinander. Jede Begegnung ist kein Zufall, denn wir kommen aus einem gemeinsamen Strom. Das Dornröschenmotiv der armenischen Kolleginnen und Kollegen beim Bunten Abend eurythmisch vorgeführt, sei ein gutes Bild für den 100-jährigen Entwicklungsprozess der Waldorfpädagogik. Was will nun daraus erwachen? Der Menschheitsrepräsentant schreitet auf die Zukunft zu. Ahriman, Lucifer helfen uns mit dem Außen in Verbindung zu kommen, andere Perspektiven zu finden. Der heutige Karfreitag sei der richtige Moment, ihn als einen Zeitpunkt der Schwelle zur Verwandlung zu verstehen. Jeder neue Gedanke aus der geistigen Welt kann Wendepunkt sein. Wir brauchen das Vertrauen, aus der Krise gestärkt zu sein für die Zukunft.
Es war ein besonderes Geschenk, hier zusammen gekommen zu sein. Aber was ist aus den Puppen geworden? Beim Bunten Abend fanden sie Mütter und bemerkenswerterweise auch Väter, die sie voller Freude und liebevoller Zuwendung entgegennahmen und in ihre Länder tragen durften. Insofern wurden die Puppen kleine Botschafter für den Zukunftskeim der Waldorfpädagogik.
Dagmar Scharfenberg
Ein voll besetztes Audimax – rund 400 waldorfnahe Gäste und bei genauem Hinsehen erstaunlich viele interessierte „Neulinge“ folgten am 29.4.2019 der Einladung zum Podiumsgespräch Herausforderung Erziehung – Was verlangt die beschleunigte Entwicklung unserer Gesellschaft mit ihren tiefgreifenden Veränderungen von Heranwachsenden und Pädagogen?
Der Moderator, SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach, hatte die Überschrift für die Zeitung auf Kann es Waldorf besser? kürzen lassen – dennoch spiegelte die sorgfältig formulierte Ankündigung auch den Tenor der Veranstaltung wider: Sachlich fundiert, gut vorbereitet, präsent, freundlich im Umgangston lieferte das Gespräch ein differenziertes Bild der Waldorfpädagogik.
„Waldorfpädagogik heißt Persönlichkeitsbildung und Urteilsbildung“, so Rudolf Tippelt, Professor für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der die Vorteile der Waldorfpädagogik in seinem Eröffnungsstatement hervorhob. Waldorfpädagogik liefere mit der Stärkung jedes Einzelnen eine gute Basis, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Darüber hinaus begrüßte er, dass sich die Waldorfpädagogik seit einigen Jahren der Forschung geöffnet habe. Waldorfpädagogik gelte inzwischen als „am besten erforschte Reformpädagogik“.
Darauf angesprochen, wie elitär diese Reformpädagogik sei, wies Jost Schieren, Professor für Schulpädagogik mit Schwerpunkt Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter, auf die politische Wirklichkeit und die Stellung der Privatschulen in Deutschland hin. Und es gibt neue Wege, wie die interkulturellen Waldorfschulen zum Beispiel, die andere Formen der Finanzierung suchen, um neue Konzepte zu verwirklichen. Die Waldorfpädagogik sei in Bewegung.
Hanna Imhoff, die immer wieder zu Rate gezogen wurde, wenn es um die Praxis in Waldorfschulen ging, war Waldorfschülerin und Stadtschülersprecherin für München und studiert nun in Bayreuth. Durch ihre schulübergreifenden Tätigkeiten hatte sie auch Einblicke von außen – und erlebte ihre Schulzeit als „Luxus“. Dennoch vermisste sie die Möglichkeiten der Partizipation. Auch eine Waldorfschule sei „nur“ eine Schule, die sie als Schülerin in erster Linie zu Ende bringen wollte. Gute Bildung hinge von den Lehrern ab, dies gelte schulübergreifend.
Kinder sollen sich gesehen und verstanden fühlen, damit sie ihre Potenziale optimal entfalten können. Dazu müssten die Lehrer die Natur des Menschen und seine Stellung in der Welt studieren, so Valentin Wember, langjähriger Waldorflehrer, der inzwischen weltweit Waldorfschulen berät. Seine Kurzzusammenfassung Optimale Potenzialentfaltung aus größtmöglicher Menschen- und Welterkenntnis bringt die Waldorfpädagogik auf den Punkt. Er berichtete anschaulich und kurzweilig aus dem Schulalltag aus Sicht des Lehrers.
Auf die Frage nach der Stellung der Anthroposophie stellten beide Waldorf-Pädagogen klar: Für Lehrer seien das Studium der Werke Steiners, die allgemeine Erkennnistheorie und die Menschenkunde unerlässlich. Aber ob jemand Anthroposoph werde, sei seine individuelle Lebensentscheidung und stehe in der Freiheit jedes Einzelnen. Es sei keine Voraussetzung, um an Waldorfschulen zu unterrichten. Jost Schieren ergänzte, dass es darum ginge, den Theoriebestand von Waldorf neu fruchtbar zu machen und Steiner in neue Zusammenhänge zu setzen.
Valentin Wember wies auf die Anfänge der Waldorfschulen 1919 hin: Schon Steiner habe verhindern wollen, dass Schüler „passend“ für die Wirtschaft gemacht werden. Da die Schulbildung aber nach wie vor in staatlicher Hand liege, sei das Programm der Waldorfschulen auch immer ein Kompromiss. Es gehe vor allem darum, mit der Selbsterziehung des Menschen ernst zu machen. Als Kernsatz einer Pädagogik führt das zu einer radikalen Freiheit. Als visionärer „spiritueller Lehrer“ legte Steiner die Basis. Seine Ideen sind heute wissenschaftlich erwiesen, oder werden in Zukunft bestätigt werden.
Die Vorzüge der Waldorfschulen – keine Selektion nach Leistung, theoretisch keine Hierarchie der Fächer, das Lernen mit allen Sinnen neben dem intellektuellen Erfassen sowie die Gemeinschaftsbildung – rückten immer wieder in den Fokus der Diskussion. Dadurch geriet der Bezug zur Ausgangsfrage vielleicht manchmal in den Hintergrund – letztlich gab die Veranstaltung jedoch auf mehreren Ebenen ein überzeugendes Bild: inhaltlich, durch die große Diskussionskompetenz aller Beteiligten und durch den vollen Hörsaal. Vertiefende Gespräche im Anschluss und beim Ausklang im „Nachtcafé“ bestätigten diesen Eindruck. Auch wurde deutlich, dass die Podiumsredner selbst die Veranstaltung höchst gelungen fanden.
Albertine Sprandel, Redaktion www.waldorf-bayern.de
Foto: Internationale Vereinigung Anthroposophischer Ärztegesellschaften
„Die Medizinische Sektion am Goetheanum und die Internationale Vereinigung Anthroposophischer Ärztevereinigungen halten fest: Anthroposophische Medizin vertritt keine Anti-Impf-Haltung und unterstützt keine Anti-Impf-Bewegungen. Vielmehr setzt sie sich für einen sachorientierten und differenzierten Blick auf Impfungen ein.“ Der Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. sammelt Unterschriften für eine entsprechende Petition, die online unterzeichnet werden kann.
Die Stellungnahmen der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Dornach sowie des Dachverbandes Anthroposophischer Medizin in Deutschland können ebenfalls online abgerufen werden.
Spiel – ein Menschenrecht. Von Almuth Strehlow
Das freie Spiel ist für Kinder das Tor zur Welt: Es ist Grundlage der schöpferischen Kreativität, der freien Selbstentwicklung und Autonomie in Verbundenheit. Weltweit werden die freien Spielräume in der Kindheit – und auch in den späteren Ausbildungsgängen – mehr und mehr beschnitten. Zunehmend entwickeln bereits Kinder stressbedingte Zivilisationskrankheiten wie Herzerkrankungen. Entlang der Entwicklungsstufen des kindlichen Spiels verdeutlicht Almut Strehlow den immensen Wert des Spiels für Salutogenese, Demokratiefähigkeit und ein zufriedenes Leben: Spielen bietet die Voraussetzungen für das zuweilen schwierige Unterfangen, sich in der Welt zu beheimaten und sie schöpferisch mitzugestalten – eine menschliche Gabe, welche auch für Erwachsene sinnstiftend und heilsam sein kann.
Almuth Strehlow, Erzieherin, Ausbildung künstlerische Therapie, Master of Education for Adults/School Management/Further Education. Mutter und Großmutter. Seit 1992 im Rudolf Steiner Institut Kassel in der Ausbildung von ErzieherInnen/HeilpädagogInnen tätig, Seminare und Vorträge im In - und Ausland.
Eine Publikation der Vereinigung der Waldorfkindergärten. Zu beziehen über unseren Bücher Onlineshop.Quelle – Eurythmie von Anfang an. Von Andrea Heidekorn (Hg.)
Weil Bewegung für die frühkindliche Entwicklung wichtig ist, gewinnt auch die Eurythmie an Bedeutung – zunehmend auch außerhalb von Waldorf-Zusammenhängen. Ein neues Buch dokumentiert die Wirkungen. Hier eine Besprechung aus info3.
Kindheit in der Waldorfpädagogik. Von Angelika Wiehl und Wolfgang-M. Auer.
Das Studienbuch führt in grundlegende Konzepte der Waldorfpädagogik ein – etwa die Sinneslehre von Rudolf Steiner oder die Bedeutung der Nachahmung für die kindliche Entwicklung. In einem umfangreichen Mittelteil widmen sich die AutorInnen, beide WaldorfpädagogInnen mit langjähriger Erfahrung in der Forschung, dem Studium von basalen Quellentexten Rudolf Steiners zur Kindheit und bieten einen Handlauf für das eigene Studium. Verschiedene Beiträge zur Anthropologie der Kindheit, Anregungen und Ausblicke ergänzen das Kompendium.
Hier kommen Sie zum Buch.
Erziehung ist Begegnung. Von Wolfgang Saßmannshausen.
Wie werden pädagogische Leitbilder im Alltag mit kleinen Kindern handlungswirksam? Wie kann das Zusammenleben gelingen? Wolfgang Saßmannshausen blickt auf Erziehung als Lebenskunst und entfaltet ihr Potenzial aus der Perspektive der wechselseitigen zwischenmenschlichen Begegnung – denn beide, Kinder wie Erwachsene, sind vor allem eines: Menschen im Prozess, die sich weiterbilden und -entwickeln. In einem Tanz von Sehnsucht und Vertrauen umspielen sie einander in ihrer auf Freiheit angelegten unverwechselbaren Individualität und erkunden das Mögliche zwischen vergangenheitsgesättigter Erfahrung und den Impulsen aus der Zukunft. Wolfgang Saßmannshausen blickt auf Erziehung als Lebenskunst und entfaltet ihr Potenzial aus der Perspektive der wechselseitigen zwischenmenschlichen Begegnung.
Wolfgang Saßmannshausen: Erziehung ist Begegnung. Menschen zwischen Werden und Sein
1. Auflage 2019, 96 Seiten, Klappenbroschur, Herausgegeben von der Vereinigung der Waldorfkindergärten im Info3 Verlag. € 12,00.
Die Fülle der Sprache begreifen.
Wie findet der Mensch in die Sprache? Wie lernt er sprechen, schreiben und lesen? Die Sprachgestalterin Heide Mende-Kurz hat mit Wirf Gold und Silber über mich! (Opilio Verlag 2018) einen logopädischen Leitfaden für ErzieherInnen, LehrerInnen, TherapeutInnen und Eltern vorgelegt, der Hinweise gibt für die frühe Pflege der Sprachentwicklung.
Zum Info3 Verlag.
Heide Mende-Kurz: Wirf Gold und Silber über mich – die Sprachverantwortung beim Sprechen lernen, Schreiben lernen, Lesen lernen. Ein logopädischer Leitfaden inkl. 3 DVDs. ISBN 978-3-946462-06-4.
Zum Wortforum.
Einblicke weltweit. Fotobuch.
Die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners geben zusammen mit der Leica Camera AG Fotografen ein Fotobuch mit Einblicken in Waldorfeinrichtungen weltweit heraus, das die Besonderheiten jedes Landes in Verbindung zur Waldorfpädagogik ins Bild setzt. Bilder aus dem Buch Einblicke weltweit und der Ausstellung #waldorfweltweit sind sechs Wochen lang in 50 Alnatura-Märkten zu sehen.
Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners in Kooperation mit Leica Kamera AG / Familie Kaufmann (Hrsg.): Insights Worldwide : 100 Years Rudolf Steiner Education/ Einblicke weltweit – 100 Jahre Waldorfpädagogik, Kehrer 2019. ISBN 978-3-86828-920-6
Zum Buch
Für die Welt von morgen.
Das gute Leben für alle – wie geht das? Der Info3-Verlag hat eine ganze Reihe von Filmen zusammengestellt, die darüber nachdenken, was wir heute tun können, damit unsere Kinder und Kindeskinder in der Welt von morgen leben können. Von Erwin Wagenhofers alphabet über Margret Olins Kindheit bis zu Maria Knillis dreiteiliger Langzeitdokumentation über WaldorfschülerInnen. Informationen und Trailer abrufbar hier.