Newsletter Juni 2023

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, 
liebe Freundinnen und Freunde der Vereinigung der Waldorfkindergärten,

heute erscheint nach einer längeren Pause wieder ein Newsletter. Das Erscheinen ist zukünftig im Turnus von zwei Monaten geplant. Es ist auch gewünscht, dass die Regionen eine Plattform erhalten – für Jubiläen, neue Konzepte und alles Mitteilenswerte. Die Geschäftsführerkonferenz hat diese Idee unterstützt, wir freuen uns auf Ansprechpartner:innen in den Regionen und spontane Zusendungen.

Gerne können Sie uns Anregungen, Wünsche sowie Fragen über alles, was Sie schon immer über Waldorfkindertageseinrichtungen oder die Vereinigung der Waldorfkindergärten wissen wollten, zukommen lassen!

Sowohl durch die Organisationsentwicklung – von einem Geschäftsführer mit auch operativ tätigen Vorständen zu der Doppelspitze in der Geschäftsleitung – als auch durch das Ausscheiden von Oliver Langscheid wird derzeit vieles neu ergriffen. Im September-Newsletter stellen sich dann Sabine Cebulla-Holzki und Markus Reuvers, beide in der Geschäftsleitung tätig,  vor.

Gestalten Sie durch Ihre Fragen und Beiträge mit daran, den Newsletter als lebendige Verbindung in unserer Vereinigung zu nutzen!

Wir danken Oliver Langscheid und Beate Wohlgemuth herzlichst für die langjährige Herausgabe des Newsletters!

Birgit Krohmer
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

Wechsel in der Geschäftsführung bei der Vereinigung der Waldorfkindergärten.

Von Anna-Katharina Dehmelt

Oliver Langscheid war rund 22 Jahre Geschäftsführer der Vereinigung der Waldorfkindergärten in Deutschland. Im Gespräch mit Info3-Redakteurin Anna-Katharina Dehmelt gewährt er Einblicke in eine große Bewegung aus ungewöhnlicher Perspektive.

Herr Langscheid, seit 2001 sind Sie Geschäftsführer der Vereinigung der Waldorfkindergärten und überblicken die Waldorf-Kindergartenbewegung. Was hat sich verändert in diesen 22 Jahren?

Die signifikanteste Veränderung ist wohl, dass sich der Fokus der Gesellschaft auf die frühkindliche Bildung total verändert hat und die Anforderungen an die Kindergarten-Einrichtungen einen enormen Wandel und Anspruch entwickelt haben. Dazu gehört die Ausweitung der Öffnungs- und Betreuungszeiten, der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, der Auf- und Ausbau der Betreuung der ganz kleinen Kinder unter drei Jahren (U3) – das alles vor dem Hintergrund möglichst weitgehender Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wie ist die Waldorf-Kindergartenbewegung mit diesen Herausforderungen umgegangen?

Die Kindergärten mussten sich stark verändern – und die Vereinigung hat einen guten Weg gefunden, das alles unter einen Hut zu bekommen. Schwierig ist dabei gewesen, dass man sein Ideal nicht verliert, dass man die Grenze zwischen „Wann verkaufe ich mich?“ und „Wann bewege ich mich in einem gesellschaftlichen Feld, dessen Teil ich bin?“ nicht verliert. Es bringt ja nichts, dass alle eine U3-Betreuung machen, nur wir nicht – und dann keine Kinder mehr in die Einrichtungen kommen. Andererseits ist es nicht immer leicht zu sehen, dass die ganz kleinen Kinder nachmittags, wenn sie nach Hause kommen, schon manchmal fünf oder sechs Bezugspersonen hatten und in der Kleinkindzeit so wenig Begegnung mit den Eltern stattfindet. Deswegen haben wir da vielleicht etwas länger gebraucht als andere pädagogische Richtungen, aber heute haben fast alle Kindergärten auch U3-Gruppen.

Wie wird das von der Klientel der Waldorfkindergärten nachgefragt?

Sehr stark. Doppelverdiener-Paare und Alleinerziehende brauchen eine solche Betreuung; Eltern wollen ihre beruflichen Vorstellungen ausleben und sich nicht durch die Familie davon abhalten lassen. Wir haben einen relativ hohen Anteil an Eltern, die ihre Kinder nicht deshalb an einen Waldorfkindergarten bringen, weil sie zwingend anthroposophische Pädagogik wollen, sondern weil sie einfach eine Alternative suchen, weil sie die Betreuungszeiten abgedeckt bekommen, die sie brauchen, oder weil es in der Nähe ist – und dann erleben sie, dass sie diese Pädagogik einfach anspricht und dass es ihrem Kind im Waldorfkindergarten gut geht.

Was sind denn heute die hauptsächlichen Aufgabenstellungen?

Neben den Nachwirkungen von Corona, den ausgeweiteten Betreuungszeiten und den umfangreichen Dokumentationspflichten ist das in erster Linie der Fachkräftemangel. Uns fehlen staatlich anerkannte Erzieher:innen – nur die werden refinanziert –, die zugleich eine waldorfpädagogische Qualifikation haben. Es mangelt an beidem. Die Vereinigung bietet waldorfpädagogische Postgraduierten-Qualifizierungen für staatlich anerkannte Erzieher:innen in berufsbegleitenden Seminaren an, aber auch da werden die 600 Plätze nicht mehr alle besetzt.

Es gibt mittlerweile auch großzügigere Quereinsteiger-Regelungen.

Und dann gibt es die waldorfpädagogisch orientierten Fachschulen, an denen man zugleich die staatliche Anerkennung und die Waldorf-Qualifikation erwerben kann. In der Vereinigung läuft derzeit ein Projekt zur Gewinnung von waldorfpädagogisch ausgebildeten Fachkräften, um möglichst vielen Menschen einen Zugang zu diesen Qualifikationen zu verschaffen, damit Nachwuchs in die Kindergärten kommt, denn da gibt es einen richtigen Personal-Notstand.

Warum ist das denn so schwierig?

Vielleicht ist die Attraktivität des Berufs nach außen hin noch nicht deutlich genug sichtbar. Erzieher:innen werden nicht so schlecht bezahlt; und die Waldorfkindergärten haben einiges zu bieten. Zum Beispiel die Konferenzarbeit, bei welcher ganz viel Entwicklungsarbeit stattfindet – wenn wirklich regelmäßig eine Kinderbeobachtung gemacht wird, wenn wirklich reflektiert wird, dann können die Konferenzen ganz viel bewirken, nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Mitarbeitenden. Die können sich in ihrer Arbeit als Mensch entfalten und sind beteiligt. Aber es gibt auch viel zu tun. Wir haben uns ja, in der Vereinigung und in den Kindergärten, das schwierigste Verwaltungsmodell ausgesucht, das es auf der Welt gibt: wir machen das in Selbstverwaltung. Und das ist eben schwieriger, als wenn ich eine normal strukturierte Verwaltung habe und der Chef sagt „Wir machen das so!“, dann machen es halt alle so und fragen nicht. Da haben wir mehr Anspruch und dadurch auch mehr Arbeit.

Andere Träger haben aufgeholt, bieten auch mehr Beteiligung, Freispielräume – was ist denn das Alleinstellungsmerkmal der Waldorfkindergärten heute?

Aus meiner Sicht ist das die spirituelle Pädagogik. Durch die spirituelle Arbeit, die die Erzieher:innen pflegen, stärken sie ihre Wahrnehmungskräfte und nehmen dadurch die Impulse der Kinder, die diese mitbringen, besser wahr und können sie auch besser begleiten. Und dadurch arbeiten sie auch ständig an ihrer eigenen Haltung den Kindern gegenüber, an ihren Vorlieben, ihrem Habitus und so weiter. Das wirkt sich in der Umgebung der Kinder aus, und letztendlich sollten wir ja in den Einrichtungen nichts anderes machen als den Umraum schaffen, in dem sich die Kinder entwickeln können. Das ist unser größtes Alleinstellungsmerkmal und auch unser schwerwiegendes Pfund.

Wir haben ja in Bezug auf die anthroposophischen Praxisfelder durchgängig die Gefahr, dass sie in Regeln und Normen erstarren, und das tut natürlich auch keinem Waldorfkindergarten gut. Wie begegnen Sie dem?

Wir begegnen dieser Gefahr mit Fachberatung und haben diese sehr ausgebaut. Die Fachberater:innen besuchen die Einrichtungen immer wieder, begleiten und unterstützen sie, lernen sich kennen. Dabei findet implizit eine Qualitätssicherung statt, denn da kommen natürlich auch Probleme zur Sprache, und dann entwirft man gemeinsam zum Beispiel eine Inhouse-Schulung oder verändert die Konferenzarbeit. Da wird nicht von außen etwas übergestülpt, sondern es entwickelt sich etwas von innen. So bleibt es frisch und belebend.

Nicht nur die Kindergärten arbeiten selbstverwaltet, auch die Vereinigung hat eine selbstverwaltete Struktur. Wie sieht das bei so einem großen Zusammenschluss aus?

Selbstverwaltung heißt nicht, dass alle alles machen müssen. Für mich heißt Selbstverwaltung, dass jede:r nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten tätig ist, in dem Bereich, in dem er sie hat. Die Erzieher:innen als Erzieher:innen und andere Menschen als Kaufleute zum Beispiel. Aber: Sie müssen die gleiche Idee verfolgen. Davon lebt die Zusammenarbeit, und dann werden sie eben nicht von außen verwaltet, sondern sie entscheiden selber, wie sie sich organisieren und was sie machen.

Was bedeutet das konkret?

Wir haben alles im Sinne des Subsidaritätsprinzips eingerichtet. Das heißt: Wir sind regionalisiert, und alles, was die kleinere Einheit leisten kann, soll sie auch leisten, bevor sie eine größere Einheit um Unterstützung bittet. Bei den Mitgliederversammlungen haben wir Delegationen, da sind dann nicht zwei Delegierte aus jeder Einrichtung, sondern Delegierte aus den Regionen, aus den Seminaren etc., insgesamt circa 60 Menschen, und die kennen sich meistens und bewegen dann miteinander, wo’s hingehen soll und was die wesentlichen Aufgaben sind. Man muss dabei relativ viele Prozesse zusammenführen, die Bedürfnisse der Einrichtungen sind auch oft von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Das heißt man muss immer offen sein für unterschiedliche Lösungen für das gleiche Problem. Wir sind in erster Linie ein Zusammenschluss, nicht ein dirigistischer Dach-Verband.

Sie versuchen das Durchregieren zu minimieren?

Wir versuchen, das überhaupt gar nicht zu machen. Klar hängen die verschiedenen Einrichtungen und Ebenen miteinander zusammen, aber es gibt keine Durchgriffsszenarien.

Und wie gelingt das?

Man muss sehr viel miteinander reden, auch bei Differenzen. Dann entsteht etwas, entstehen Lösungen. Es gibt natürlich manchmal Konflikte, aber ich kann mich nicht dran erinnern, dass wir mal hätten durchregieren müssen. Eigentlich haben wir für jegliche Probleme im gemeinschaftlichen Gespräch dann einen Konsens gefunden, den alle mittragen.

Nun verabschieden Sie sich nach 22 Jahren von der Vereinigung und wenden sich nochmal anderen Aufgaben zu. Möchten Sie der Vereinigung etwas mit auf den Weg geben? Drei Wünsche haben Sie frei!

Wichtig ist für die Vereinigung, dass sie wirklich und in erster Linie im Bewusstsein behält, dass sie für die Kinder da ist und nicht „abhebt“ – die Gefahr besteht ja bei so einem Dachverband, der gerade keiner sein will, dass man möglicherweise den Kontakt zur Basis verliert.

Zweitens: Mehr Freude daran, sich an neue Gegebenheiten anzupassen – das wünsche ich den Einrichtungen. Offenheit für neue Fragen, ohne dabei zu verlieren, was als Qualität da ist, und Mut, Neues auszuprobieren!

Und vielleicht als Letztes: „Ich spreche aus, was ich denke, und ich möchte mit den Kolleg:innen die Wege beschreiten, die richtigen Lösungen zu finden.“ Keine Zurückhaltung bei Konflikten, die gehören dazu und sind etwas Gutes, wenn man sie bearbeitet, und Auseinandersetzung der Sache wegen ist immer wichtig. Da nicht müde zu werden, sich wegen der Kinder und wegen der Sache auseinanderzusetzen – ich glaube, das ist das Wichtigste, was man tun kann. Weil es die Kinder sind, die unsere Zukunft gestalten werden und dies schon tun. Man muss sich dafür einsetzen, dass sie die bestmöglichen Rahmenbedingungen bekommen, die sie brauchen, um Neues zu entwickeln.

Wir wünschen der Vereinigung der Waldorfkindergärten und Ihnen jetzt auch auf getrennten Wegen von Herzen alles Gute!

Die Vereinigung der Waldorfkindergärten

Der Vereinigung der Waldorfkindergärten gehören derzeit rund 580 Kindergärten an – das ist etwa 1 Prozent aller Kindergärten in Deutschland. Die Kindergärten sind juristisch selbständig und in Regionen organisiert, die autonom arbeiten. Über ihre Beiträge tragen die Kindergärten die Vereinigung, die wiederum einen erheblichen Anteil ihres Budgets für die Qualifizierung von Waldorf-Fachkräften aufwendet. Zur Vereinigung gehören auch elf berufsbegleitende Seminare, die zusammen rund 600 Plätze in zwei- oder dreijährigen Fortbildungen anbieten, und sechs Fachschulen mit ungefähr 120 jährlichen Absolventen. Ein Studiengang für Kindheitspädagogik an der Alanus-Hochschule rundet das Ausbildungsangebot ab. Eine Akademie für die Fortbildung der in den Waldorfkindergärten tätigen Erzieher:innen befindet sich im Aufbau.

Die pädagogische und rechtliche Fachberatung der Kindergärten leistet die pädagogische Qualitätssicherung und ist ausgegliedert an die Praesensio Fachberatungsgesellschaft mbH. An der Integration von Waldorf-Tagesmüttern in die Vereinigung wird derzeit gearbeitet. ///

 

Oliver Langscheid

1967 geboren, war tätig als Steuerfachangestellter und hat eine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Seit 2001 war er Geschäftsführer der Vereinigung der Waldorfkindergärten. Zum 1. März 2023 übernimmt er jetzt andere Aufgaben innerhalb der waldorfpädagogischen Bewegung.

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Neues aus der Alanus Hochschule

Dr. Philipp Gelitz (Seminar-verantwortlicher), Prof. Dr. Stefanie Greubel (Prodekanin FB Bildungswissenschaft), Marleen Berner (Programmleitung CampusAckerdemie), Miriam Stollenwerk (AckerCoachin).

Sie finden hier Berichte über Ausbildungswege, um in den Waldorfkindertageseinrichtungen zu arbeiten. Den Anfang macht die Alanus-Hochschule mit der CampusAckerdemie.

Im Studiengang Kindheitspädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn wird seit diesem Frühjahrssemester Naturpädagogik auf einem neu eingerichteten Hochschulacker gelehrt. Die gemeinnützige Organisation Acker e.V. unterstützt mit ihrem Programm CampusAckerdemie dabei die Vollzeit-Studierenden des 4. Semesters mit praktischen Einheiten und Knowhow rund ums Gärtnern mit Kindern durch eine erfahrene AckerCoachin. Die Alanus Hochschule gehört damit zu den ersten Hochschulen, Unis und Berufsfachschulen, die das Anlegen eines Schulgartens bzw. Kindergarten-Ackers unter fachkundiger Anleitung in ihr Curriculum integriert haben.

„Ich freue mich sehr, dass wir ab sofort die Möglichkeit haben, die Seminare zur Naturpädagogik zum größten Teil auf unserem neuen Acker zu verbringen. Wir lernen mithilfe der Expertin von der CampusAckerdemie gemeinsam, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung konkret aussehen kann. Wir machen etwas, statt zu reden. Ich bin überzeugt, dass darin ein großer Bildungswert für uns Erwachsene und in der Folge dann auch für die uns anvertrauten Kinder liegt", so Philipp Gelitz, der für die Seminare verantwortlich ist.

An der Alanus Hochschule starten jedes Jahr neue Studierende in den Studiengang Kindheitspädagogik. In der Organisationsform Vollzeit dauert das Studium sechs Semester, in der Teilzeit-Variante für bereits ausgebildete Erzieher:innen fünf Semester berufsbegleitend.

Ab September 2023 wird der Vollzeit-Studiengang in einer dualen Studienvariante angeboten. Es ist möglich, sich eine Einrichtung als Praxispartner zu suchen und dann einen Teil der Woche sowie die Praktika in der vorlesungsfreien Zeit dort zu absolvieren. Die Alanus Hochschule bündelt ihre Lehrveranstaltungen dafür auf montags bis mittwochs, um so die Möglichkeit zu schaffen, Theorie und Praxis noch enger zu verzahnen. Nähere Infos gibt´s hier.

Im Teilzeit-Studium werden nun die Hälfte der zehn Wochenenden pro Jahr als Online-Seminare angeboten, um Fahrtzeiten und Kosten zu reduzieren. Die drei Blockwochen des Jahres kommen weiterhin als reine Präsenzveranstaltungen hinzu. Nähere Infos gibt´s hier.

red./Philipp Gelitz

 

Fragen an Maria A. Kafitz und Claudius Weise vom Verlag Freies Geistesleben

Maria A. Kafitz und Claudius Weise, © W. Schmidt

Der Verlag Freies Geistesleben gehörte von Beginn an zur waldorfpädagogischen Bewegung. Dort erscheint zum Beispiel auch die Reihe »Arbeitsmaterial aus den Waldorfkindergärten«, die sowohl die Pädagog:innen aus der Ausbildung als auch viele Eltern kennen und schätzen, sowie zahlreiche Bilderbücher, die von kleinen und großen Kindern geliebt werden, und Anregungen fürs kreative Schaffen zuhause oder in den Kindergärten. 

Heute stellt sich die neue Verlagsleitung vor, mit der wir vielfältig zusammenarbeiten, auch bei der Erziehungskunst frühe Kindheit.

Was ist Ihre Berufsausbildung und wo waren Sie vorher tätig, bevor Sie zum Verlag Freies Geistesleben kamen?

Claudius Weise (CW): Ich habe Neuere Deutsche Literatur, Philosophie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der FU Berlin studiert. Nach zwei Hospitationen an der Schaubühne am Lehniner Platz packte mich der Theatervirus. Ich kam mit Jobst Langhans und dem Michael Tschechow Studio in Berührung und habe einige Jahre mit freien Theaterprojekten verbracht, unter anderem am Goetheanum in Dornach. Schließlich wurde ich Mitarbeiter im Forum Theater in Stuttgart. 2014 ging es wieder weiter. Nach einem Zwischenspiel als Lehrer an der Michael Bauer Schule wurde ich verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift die Drei, was ich bis heute bin.

 

Maria A. Kafitz (MAK): Mich hat es nach dem Abitur erst einmal nach Wien geführt und an die Goetheanistische Studienstätte. Malen, Plastizieren, Philosophieren und Mitarbeit in der dortigen Buchhandlung. Studiert habe ich anschließend Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Psycholinguistik und Kunstgeschichte, war bei der Saarbrücker Zeitung und der TypoServ, Gesellschaft für Satz und Druck tätig.

Zudem teilen Claudius und ich die Leidenschaft fürs Theater, denn auch ich war – zunächst in der Dramaturgie, dann als Regieassistentin – am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken. Vielleicht ja eine gute Voraussetzung fürs Büchermachen, das auch viel mit Inszenierung zu tun hat. Manchmal entwickelt sich dabei eine Buchidee zur Tragödie, viel häufiger aber ist es ein wunderbares Schauspiel, das sich in zwei Buchdeckeln entfaltet.

Wie sind Sie zum Verlag gekommen?

MAK: Mit der etwas ungewöhnlichen Methode einer sogenannten „Blindbewerbung“, das heißt, es war keine Stelle ausgeschrieben, doch mich begeisterte das damals neu entstandene Magazin a tempo, das mit Tiefgang und Leichtigkeit Waldorfpädagogik und Anthroposophie vorstellte und dabei die Fenster zur Welt weit öffnete. Also bot ich meine Mitarbeit an – und hatte den idealen Zeitpunkt erwischt, da sich damals die Kooperation mit dm drogerie markt anbahnte und die Redaktion verstärkt werden sollte. Zum Schreiben und Redigieren kamen nach kurzer Zeit die Bildredaktion und schließlich die gesamte Grafik dazu. Diese Verbindung entwickelte sich auch im Buchbereich, in dem ich einerseits als Lektorin am Text arbeite, mich in manchen Fällen aber auch um die Erscheinungsform – sprich, Cover und Layout des Buches – kümmern und bemühen darf. Diese Vielfalt im Tun und das Begleiten des gesamten Prozesses ist zwar hin und wieder etwas turbulent, doch zutiefst erfüllend. Und da im Lauf der Zeit zu den Büchern und a tempo auch die erziehungsKUNST sowie die erziehungsKUNST frühe Kindheit zu meinem Tätigkeitsbereich dazukamen, war mit Blick auf den Renteneintritt des langjährigen Verlagsleiters Jean-Claude Lin schnell klar, dass wir einen Menschen bei Freies Geistesleben brauchen, der Teil dieser Vielfalt werden und andere Teile davon ergreifen und weiterentwickeln möchte.

 

CW: Ja, und so kam ich ins Spiel. Denn eigentlich war ich als einer der Treuhänder des Verlages vorgesehen, aber bei meinem Vorstellungsgespräch entstand im Gremium die Idee, mich in der Nachfolge von Jean-Claude Lin zum Verleger zu machen. Da dieser zusammen mit Maria die annähernd gleiche Idee hatte, die sie den Treuhändern vorstellten, wurde ich zu meiner Tätigkeit für die Drei schließlich 2021 in den Verlag berufen. Und so machen wir seit Beginn des Jahres 2022 aus zwei halben Verlagsleitenden ein gemeinsames Ganzes, das die Spannbreite des Verlagsprogramms abzudecken vermag und sich wechselseitig anregt.

Was sind dort Ihre Aufgabengebiete?

CW: Ich verantworte den Bereich Sachbuch, also vor allem die anthroposophischen und waldorfpädagogischen Titel.
MAK: Und ich lasse Klein und Groß zum Buch greifen, da ich die Bereiche Bilder-, Kinder- und Jugendbuch sowie Belletristik verantworte und zudem das Kreativbuch.
 

Können Sie etwas zur Geschichte des Verlages sagen?

CW: Der Verlag Freies Geistesleben wurde 1947 gegründet, um die Waldorfschulbewegung mit der nötigen Fachliteratur für Eltern und Lehrer:innen zu versorgen. Damit war er der Nachfolger des „Verlags der Waldorf-Astoria“, der 1921 gegründet und 1938 von der Gestapo geschlossen worden war. Im Laufe der Zeit ist das Programm immer stärker erweitert worden. Mitte der 1990er Jahre fusionierte Freies Geistesleben mit dem Verlag Urachhaus, der 1925 unter dem Namen „Verlag der Christengemeinschaft“ gegründet worden war, sich 1936 in Urachhaus umbenennen musste und seit 1941 nicht mehr publizieren durfte. 1946 ging es dann auch für Urachhaus wieder weiter. Freies Geistesleben und Urachhaus sind eine GmbH, aber mit verschiedenen Traditionen, was sich auch in den eigenständigen Programmen und thematischen Schwerpunkten zeigt.

Seit wann erscheint die erziehungsKUNST im Verlag Freies Geistesleben?

CW: Die erziehungsKUNST gehört seit 1948, also fast von Anfang an zu unserem Verlag. In der Weimarer Republik gab es eine Vorgängerin, die von 1927 bis 1932 Zur Pädagogik Rudolf Steiners hieß und danach bis 1938 Erziehungskunst. Herausgeberin war die Lehrerschaft der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe. Das Schulbüro der Uhlandshöhe war übrigens die Keimzelle unseres Verlags.

MAK: In der Ausgabe 04/2023 gibt es sehr informative Berichte, die die gesamte Geschichte der erziehungsKUNST beschreiben. Intensiverer Teil dieser Geschichte wurde auch ich im Jahr 2008/09, als ich mir für die Zeitschrift eine neue Erscheinungsform überlegen sollte, um dem Wunsch Rechnung zu tragen, die eher interne Abonnementzeitschrift in ein Magazin für alle Elternhäuser, Lehrkräfte und Mitarbeitenden zu verwandeln. Einen zweiten Verwandlungsschritt haben wir 2022 mit der neuen Redaktion inzwischen auch vollzogen und das Magazin nochmals in Bewegung gebracht.

 

Seit wann gibt es die erziehungsKUNST frühe KINDHEIT und woher kamen das Konzept und die Ideen zur Gestaltung?

MAK: Die Ausgabe für die Kindergartenbewegung entwickelte sich quasi aus der Schulausgabe, deren Rubrik „Frühe Kindheit“ sehr gerne gelesen und immer beliebter wurde. Dieses Bedürfnis der Eltern, Pädagog:innen und Erzieher:innen nach Themen aus dem ersten Jahrsiebt hat die damalige Redaktion aufgegriffen und zusammen mit uns im Verlag und in Abstimmung mit der Kindergartenvereinigung daraus ein Konzept entwickelt. Für dieses wiederum habe ich eine erkennbare und doch eigenständige Optik kreiert und im Herbst 2016 erschien die erste Ausgabe des Kindergartenmagazins erziehungsKUNST frühe KINDHEIT. Seither begleitet auch dieses Medium mein Verlagsleben und wird ja auch bald eine kleine Verwandlung erfahren.
 

Wie ist das Verlagsleben derzeit?

MAK: Wild, aufregend und mit Herausforderungen angefüllt, wie ich sie noch nie erlebt habe, seit ich hier bin – und inzwischen überblicke ich zwei Jahrzehnte.

CW: Ja, wir werden ganz schön geprüft zu Beginn unserer Verlagsleitungsaufgabe und stehen jeden Tag vor neuen Herausforderungen, von denen wir nicht alle beeinflussen können.

MAK: 2022 hat uns durch die Ballung an negativen Ereignissen an Grenzen geführt und verlangt uns nun einiges ab. Denn nicht nur, dass zu Jahresbeginn dm die Magazin-Kooperation beendet hat, auch die schon zuvor gestiegenen Papierpreise erreichten eine Höhe, die beim Kalkulieren Schwindel auslöste. Der grausame Krieg in der Ukraine hat dies schließlich nochmals verschärft – überall wuchs die Verunsicherung, und während die Umsätze sanken, stiegen die Produktionskosten weiter an. Nun müssen wir alles versuchen, einen Weg aus dieser schwierigen Lage zu finden.

CW: Da ist in den letzten Monaten schon viel geschehen, aber es liegt noch einiges vor uns.

 

Was würden Sie sich wünschen für den Verlag, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

CW: Einen richtigen Bestseller. Wahrscheinlich nicht in meinem Ressort – aber vielleicht bei Maria.

MAK: Den würde ich natürlich nicht verweigern und er würde sehr vieles einfacher machen. Vor allem aber wünsche ich mir von Herzen, dass der Verlag in seiner Vielfalt weiterbestehen kann und Bücher eine „erlesene“ Zukunft haben!

 

Das Interview führte Birgit Krohmer

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Dreikönigstreffen

Einmal jährlich treffen sich Repräsentant:innen der drei pädagogischen Arbeitsfelder, Bildung, Forschung und Praxis der Vereinigung zum Dreikönigstreffen. Im Vorfeld bündeln sie ihre aktuellen Anliegen und Impulse und bringen diese in den Koordinationskreis (Kokreis) ein. Verbunden mit dem Bild der Könige, welche gemeinsam dem Stern zur Krippe nach Bethlehem folgen, entwickelt der KoKreis ein Leitthema, das sogenannte „Sternenthema“ für das neue Jahr.

In diesem Jahr verdichteten sich die Eingaben zu dem Thema:

Erde und Himmel verbinden Interesse und Idealismus durch Menschenliebe“ Die Vorbereitung erfolgte durch die Mitglieder des Arbeitsfeldes Geisteswissenschaftliche Grundlagen und Forschung.

 

Basis bildete die Studienarbeit am Vortrag von Rudolf Steiner aus GA 224, Dornach 23. April 1923: Die Wiedergewinnung des lebendigen Sprachquells durch den Christus–Impuls – Der Michael-Gedanke als Aufruf des menschlichen Willens.

Dieser Vortrag ist meines Erachtens ein wunderbar erquickendes „Schatzkästchen“, um die Aufgaben aller Erziehenden, Forschenden, Lehrenden und Beratenden geistig, seelisch und handelnd zu impulsieren.

In diesem Vortrag werden der Erwerb von Gehen, Sprechen und Denken dargestellt und es wird gezeigt, wie Qualitäten konkreter Erlebnisse – Menschenliebe, Idealismus und das Interesse an und durch Mitmenschen – Einfluss nehmen darauf, in welcher Weise und ob überhaupt der Mensch in Kontakt kommt zu den geistigen Wesen, jede Nacht und im Leben zwischen Tod und neuer Geburt.

 

Durch diese Hinweise können konkrete Wirkungsweisen pädagogischen Handelns in der Umgebung und im Umgang mit den uns anvertrauten Kindern und Mitmenschen gewonnen werden. Verdeutlicht werden die Chancen und Hindernisse des Kontaktes der menschlichen geistigen Individualitäten mit den Hierarchien der geistigen Welt. Damit verbunden wird aufgezeigt der Erwerb menschlicher Fähigkeiten, Geschicklichkeiten für folgende Erdenleben.

 

In Kleingruppenarbeit setzen sich die Teilnehmenden mit den Inhalten o.g. Vortrags auseinander. In einem weiteren vertiefenden Arbeitsteil wurde gemeinsam nach konkreten Impulsen gesucht, um die Ausgangsaufgabe (Sternenthema) in den Konzeptionen und Veranstaltungen der Praxis, Bildung und Forschung für die Vereinigung in der nächsten Zeit zu überprüfen, gegebenenfalls zu erweitern oder erneut oder auf andere zeitgemäße Weise zu veranlagen.

 

Aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen (Beispiele):

 

  • Arbeit an den Themen Nachahmung und Leibliche Religiosität.

  • Wie ermutigen wir Menschen, die Beziehung zur geistigen Welt zu pflegen, wie gelingt dies, ohne sie in Bezug auf das karmische Wirken mit der Bürde der Verantwortung zu überfrachten?

  • Keine Rituale übernehmen, ohne Hintergründe zu reflektieren.

  • Transparenz der geistigen Hintergründe der Jahresfeste/Geburtstagsfeier.

  • Arbeit an sich selbst ist unerlässlich.

  • Absichtslosigkeit, Haltung und Vorbild der Forschenden, Lehrenden, Beratenden.

  • Strukturell veranlagen, dass sich Menschen mit den geistigen Hintergründen der Waldorfpädagogik beschäftigen.

 

Margarete Kaiser, Arbeitsfeld Geisteswissenschaftliche Grundlagen und Forschung, Mitglied im Koordinationskreis der Vereinigung der Waldorfkindergärten

 

 

Didacta 2023 in Stuttgart

In diesem Jahr hat der Didacta Verband wieder zur größten Bildungsmesse Europas eingeladen, sie fand statt vom 7. bis 11. März in Stuttgart. Die Vereinigung der Waldorfkindergärten hat gemeinsam mit dem Bund der Freien Waldorfschulen, der Pädagogischen Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen Baden-Württemberg einen Messeauftritt organisiert. Mit dabei waren die Alanus Hochschule mit den Standorten Alfter und Mannheim sowie die Freie Hochschule Stuttgart.

Es konnte ein buntes Programm der Waldorfpädagogik gezeigt werden. Gespräche und Impulsvorträge sowie Darbietungen von Schüler:innen bildeten die zentralen Programmpunkte des gemeinsamen Messeauftrittes.

Unsere Messeaktivitäten galten vorrangig der Gewinnung von Erzieher:innen. Tatkräftig unterstützt wurden wir von der Vereinigung der Waldorf- Kindertageseinrichtungen Baden-Württemberg und der Freien Fachschule für Sozialpädagogik – Waldorfkindergartenseminar Stuttgart. So waren tätige Waldorferzieher:innen und Seminarist:innen zugegen, die Fragen des Publikums direkt beantworten konnten. Unser Auftritt wurde flankiert durch Kurzreferate und ein Publikumsgespräch, das dankenswerterweise Elke Rüpke (Hamburg) und Birgit Krohmer (Freiburg) übernommen haben.

Unsere Give-Aways der Firma Mercurius/Stockmar kamen bei Klein und Groß sehr gut an. In diesem Jahr gab es Wachsmalblöckchen in Gold oder Silber.

Hartmut Beye und Birgit Krohmer

 

Buchmesse Leipzig

Alexander Hassenstein, Petra Drammeh, Bund der Freien Waldorschulen, Birgit Krohmer, Öffentlichkeitsarbeit Vereinigung der Waldorfkinderg., Maria Kafitz, Verlag Freies Geistesleben, Sabine Cebulla-Holzki, Geschäftsleitung Vereinigung der Waldorfkinderg.

Nun war es so weit: Nach drei Jahren Pandemie fand die Leipziger Buchmesse in diesem Jahr endlich wieder statt. Gemeinsam mit der Pädagogischen Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen hatte die Vereinigung der Waldorfkindergärten einen Stand in Halle 5 aufgestellt. Der Eigenbau-Messestand setzte sich deutlich von den anderen Messeständen ab. Mit dabei waren auch der Info3 Verlag/Frankfurt, der Rudolf- Steiner Verlag/Dornach und der Waldow Verlag/Bramsche mit den jeweiligen Autor:innen und Ausstellenden. Es konnte ein buntes Programm der Waldorfpädagogik gezeigt werden. Neuerscheinungen von Büchern, Buchpräsentationen und Gespräche standen im Mittelpunkt des gemeinsamen Messeauftritts. Thematischer Schwerpunkt der Vereinigung der Waldorfkindergärten war es, zukünftige Erzieher:innen zu erreichen. Das Anliegen wurde durch Kurzreferate und Gespräche mit dem Publikum kommuniziert. Dies haben Anne Kathrin Hantel und Elke Rüpke aus Hamburg sowie Birgit Krohmer (Freiburg) dankenswerterweise übernommen. Anregend war der Messetag mit der Fachberaterin Grit Hilpert, die den Gesprächen ein besonderes Lokalkolorit zu geben verstand. Unsere Give-Aways der Firma Mercurius/Stockmar kamen bei Klein und Groß sehr gut an. In diesem Jahr gab es Wachsmalblöckchen in Gold oder Silber.

Annemarie und Hartmut Beye leisteten nicht nur den Transport der Materialien sowie den Auf- und Abbau, sondern sind mit ihrer langjährigen Erfahrung bei jeder Messe unser Fels in der Brandung. Ein großer Dank an die beiden.

Hartmut Beye und Birgit Krohmer

Pfingsttagung 2023: Idee Mensch – Sein und Werden

Über 300 Teilnehmer:innen (online-Teilnehmende inklusive) feierten vom 26. bis 29. Mai in Hannover Pfingsten auf besondere Weise: Bei Vorträgen sowie in Arbeitsgruppen und Workshops, durch Begegnungen, Gesang und Eurythmie beschäftigten sie sich auf Grundlage des zwölften Vortrags der Allgemeinen Menschenkunde von Rudolf Steiner mit aktuellen waldorfpädagogischen Fragestellungen und Forschungsfragen.

Die Frage, wie der Mensch mit seiner Leiblichkeit in wirkenden Zusammenhängen mit der Umwelt mit ihrem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich steht, wurde aus verschiedenen Blickwinkeln von den Vortragsredner:innen bewegt.

Michaela Glöckler hielt am Freitagabend den Eröffnungsvortrag mit dem Titel Die Beziehung des Menschen zum Jahreslauf als Kraft- und Erkenntnisquelle. Sie legte dar, dass der Jahreskreislauf und die Natur dem Menschen auf physischer, seelischer und geistiger Ebene eine Kraftquelle sein können: „Nichts ist in der Natur, was unsere Erkenntnis nicht ansprechen kann“. Frau Glöckler zeigte in beeindruckender Weise, wie sehr sich die Menschheit größtenteils von ihrer Umgebung und Arbeit innerlich entfremdet hat, welch einseitige Förderung das Denken erfährt und wie dabei das Fühlen vernachlässigt wird. Hier könnten die kosmischen und jahreszeitlichen Rhythmen und Religiosität uns helfen, „wieder zu fühlen, was wir tun“, uns wieder mit der Umwelt, unseren Mitmenschen und nicht zuletzt auch mit unserem eigenen Körper innerlich zu verbinden.

Marcel de Leuw gab den Teilnehmer:innen der Tagung einen kurzen und tiefen Einblick in den Inhalt des zwölften Vortrags im Zusammenhang mit der gesamten Allgemeinen Menschenkunde. Darin wird die Leiblichkeit des Menschen unter dem Gesichtspunkt der Dreigliederung – Kopfsystem, Brustsystem und Gliedmaßensystem – betrachtet. Dementsprechend waren auch die folgenden Vorträge gewichtet.

Philipp Gelitz von der Alanus Hochschule stellte in seinem Vortrag Den Kopf voll Verantwortung den Bezug zu aktuellen pädagogischen und philosophischen Fragestellungen her. Lebendig und mit eigenen Praxiserfahrungen gesättigt schilderte er die menschlichen Komponenten unserer Verantwortung den Kindern gegenüber, die so weit gehe, dass wir uns nicht nur über unsere Taten, sondern insbesondere über unser Denken bewusst sein müssten. „Die Kinder sehen, was wir denken“. Was und in welchen Formen wir denken, zeige sich unter anderem in den Spielformen der Kinder: Bin ich innerlich bewegt oder erstarrt, sortiert oder sprunghaft? Hier gelte es, den Kopf mit seiner Denkaktivität in Ausgleich und Harmonie mit dem Rhythmischen System und Gliedmaßensystem zu bringen. Insbesondere liege in diesem Bereich eine besondere Verantwortung, da sich unsere Gedankenformen über die feinsinnige Nachahmungstätigkeit der Kinder bis in deren Leiblichkeit auswirke.

Im Gegensatz zum Tierreich, das in der jeweiligen Gattung zur Perfektion und Spezialisierung gelangt sei, habe der Mensch das Potenzial zur Freiheit und dazu, sich von seiner Naturseite zu lösen. „Die Menschen können immer humaner werden. Wir sind nicht nur Natur, wir haben auch eine Natur“, so Gelitz, wir könnten so Einseitigkeiten harmonisieren und den Kindern ein lebendiges und stets werdendes Vorbild sein. Dass Philipp Gelitz zwar den „Kopf“ zum Thema hatte, aber den Zuhörer:innen aus dem Herzen sprach, zeigte der begeisterte Beifall.

Wunderbar künstlerisch abgerundet wurde der Tag durch einen frühsommerlichen Eurythmieabend mit Studierenden der Alanus Hochschule.

Der anthroposophische Kinderarzt Georg Soldner setzte sich in seinem Vortrag am Pfingstsonntagmorgen mit dem Rhythmischen System des Menschen auseinander: Atmen lernen – Ich und die Welt verbinden.

Soldner begann mit der Frage: Was macht den Mensch zum Menschen? Hier denke man meist an den Kopf – es sei aber der Fuß und damit die Möglichkeit, sich aufzurichten. In diesem zentralen menschlichen Akt komme der Pädagogik eine fundamentale Bedeutung zu. „Wenn wir Kinder bei der Aufrichte begleiten, begleiten wir sie in der Menschwerdung“. Dabei habe Rudolf Steiner als Erster in der Geschichte der Pädagogik erkannt, dass das Lehren vom richtigen Atmen und Schlafen/Wachen die Kernaufgabe der Erziehung ist. Diese Erkenntnis sei heutzutage von besonderer Aktualität, denn unsere Gesellschaft sei eine atemlose, von einer gewissen „Bedrückung“ geprägte. Im Atem, mit dem wir im ständigen Austausch und Wechselbeziehung zur Umwelt stehen, liege ein regulatives Geheimnis. „Es spielt eine große Rolle, wie wir mit der Erde und der Gemeinschaft atmen“.

Mit dem Atmen stehen wir in einer besonderen Verhältnis zur Pflanzenwelt. Interessant waren in diesem Zusammenhang Soldners Ausführungen zur medizinischen Bedeutung der Wärme und der Pflanzenheilkunde. Abgerundet wurde der inhaltlich gesättigte und interessante Vortrag mit Überlegungen zum Rhythmus von Schlafen und Wachen und der Bedeutung einer gesunden Ernährung in einer schön gestalteten Umgebung für die Kinder. „Essen hält Leib und Seele zusammen“ und stelle so einen wichtigen Beitrag zur Salutogenese dar. Soldner endete seinen Vortrag, der viel positive Resonanz bekam, mit dem Gedanken: Eine zeitgemäße Pädagogik berücksichtige den Impuls, die Kinder zu einer atmenden Existenz zu begleiten in einer Welt, wo sie im Geistigen, Sozialen und im Handeln in einer Resonanzbeziehung stehen können.

Ihr Vortragstitel war Programm: Keine Entwicklung ohne Bewegung. Lebendig und mit vielen Beispielen aus und für die Praxis bewegten Sabine Cebulla-Holzki und Philipp Reubke im Abschlussvortrag am Montag den Aspekt der Gliedmaßen und ihrer Bewegungsqualität. Am Beispiel des Puppenspiels, bei dem die Spielfiguren durch unsere Kraft bewegt werden, zeigte Sabine Cebulla-Holzki die Dynamik und Wirksamkeit der Bewegung: „Kräfte wirken von außen um den Leib herum“. Mit vielen lebenspraktischen und anschaulichen Bildern und Beispielen zeigte das Vortragsduett die Bedeutung der Alltagsbewegungen, die Kinder immer weniger im Alltag erleben können. Umso wichtiger sei es, diese wieder und immer mehr im Kindergarten zu kultivieren. Und dies nicht nur im praktischen Leben, sondern auch im Geistigen: wir brauchen eine innere und äußere Bewegungsfähigkeit, die es den Kindern ermöglichen, eine lebendige Grundlage für ein bewegliches Gedankenleben zu entwickeln. Diese Beweglichkeit könne wunderbar durch bewusst ergriffene Bewegungsqualitäten in Arbeitsprozessen mit und vor den Kindern gefördert werden. „Wir müssen im Waldorfkindergarten an unserer Bewegungskultur arbeiten und diese pflegen“. Womit? Am besten durch Freude und Authentizität: „Begeisterung lockt das Ich herbei!“ Diese Begeisterung sprang auch auf das Publikum über …

Was passierte noch auf der Tagung?

In den künstlerischen Arbeitsgruppen wurde geschnitzt, gefilzt, mit Erdfarben gemalt, getanzt, mit Naturmaterialien gearbeitet, gestickt, gesungen und bewegt, plastiziert und meditiert. In den seminaristischen Arbeitsgruppen hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich mit verschiedenen geisteswissenschaftlichen, waldorfpädagogischen und gesellschaftspolitischen Fragen vertiefend auseinanderzusetzen.

Auf dem bunten Abend gab es heitere und künstlerische Darbietungen aus den Reihen der Kursteilnehmer:innen und Dozent:innen.

Die Themeninseln luden während der Mittagspausen zum Austausch und Gespräch ein, die Kaffeebar zur Stärkung. Vielleicht gehen auch in so manchem Kinder-Garten unsere Samen auf: Viele hatten Erde von zu Hause mitgebracht, welche gemischt und mit Samen angereichert als Samenkugel in einer Vespertüte mit der Aufschrift „Sein und Werden" wieder mit nach Hause genommen werden konnte.

Es war eine lebendige und intensive Tagung, die Spuren hinterlässt, viele Impulse und neue Gedanken. Einen herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben! Bis nächstes Jahr!

 

Susanne Altenried
für den Vorbereitungskreis der Pfingsttagung

 

Fachtage zur Eurythmie im Waldorfkindergarten

© C. Fischer

In Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Eurythmisten und der Vereinigung der Waldorfkindergärten finden in den kommenden zwei Jahren Fachtage zur Kindergarteneurythmie in allen Regionen der Vereinigung der Waldorfkindergärten statt.

Die Kooperation ist so abgesprochen, dass die jeweilige Region einlädt und den Tag ausrichtet, dass aber alle in der Vereinigung in diesem Bereich tätigen Eurythmist:innen und pädagogischen Fachkräfte, Auszubildende und Studierende teilnehmen dürfen, dazu auch Vorstände aus Kindertageseinrichtungen. Anmeldungen aus anderen Regionen sind ebenfalls überall möglich.

Wir bitten Sie, den Flyer auch an Ihre Eurythmiekolleg:innen weiterzuleiten. Vielleicht kann der jeweilige Kindergarten die Kosten für die Fahrt und eventuell auch für die Arbeitszeit der Honorarkräfte übernehmen. Denn viele Eurythmist:innen arbeiten zu schlechteren finanziellen Konditionen als die im Kindergarten angestellten Pädagog:innen.

Der Tag soll eine freudige Begegnung der Menschen sein, die sich gemeinsam der Verwirklichung der Waldorfpädagogik im Kindergarten annehmen und zudem Lust auf das gemeinsame Arbeiten machen.

Hiermit findet erstmalig eine Weiterbildung in Kooperation von zwei Berufsgruppen und Verbänden mit bundesweiter Ausrichtung in allen Regionen statt.

Sie können sich über unsere Fortbildungsakademie informieren und finden auch die Flyer der ersten vier Termine auf unserer Homepage zur Anmeldung bei der jeweiligen Region.

https://www.waldorfkindergarten.de/ausbildung/euki-eurythmie-im-waldorfkindergarten/

Im September und Oktober 2023 beginnen die Fachtage zur Eurythmie im Waldorfkindergarten im Saarland und wandern über Baden-Württemberg nach Niedersachsen/Bremen und Hessen.

Im neuen Kalenderjahr folgen Termine in Berlin/Brandenburg am 20. Januar, in Mitte-Ost am 23. März und Bayern mit zwei Tagen in Nürnberg am 20. April und in München am 4. Mai 2024.

 

bk

 

Pressespiegel

Neues aus Waldorfkindergärten

  • 08.03.2023: Rückkehr nach Heidgen. Von der Flutkatastrophe im Sommer 2021 war auch der Waldorfkindergarten am Grünen Weg in Alfter-Heidgen bei Bonn betroffen. Zweimal mussten die Kinder umziehen, zuletzt fanden sie im leerstehenden Kindergarten des ehemaligen Verteidigungsministeriums in Bonn Aufnahme. Nun konnten die Kinder endlich in das sanierte Gebäude zurückkehren. Weiter
  • 02.05.2023: Waldorfkindergarten Unterschleißheim muss schließen. Nach 23 Jahren endet die Ära des kleinen Waldorfkindergartens in Unterschleißheim bei München. Ulrike Mergarten, ehemalige Leiterin, konnte keine Nachfolgerin für ihren Posten finden. Der Fachkräftemangel und der hohe Verwaltungsaufwand stellen eine zu große Hürde für den kleinen Integrationskindergarten dar, der ab August möglicherweise von der AWO übernommen wird. Die traurige Nachricht lässt auch auf eine glückliche Zeit voller Vertrauen zurückblicken. Weiter

  • 29.01.2023: Neuer Waldorfkindergarten in Friedrichstal-Stutensee, Baden-Württemberg. Zwei Kindergruppen hausen seit Anfang des Jahres im neuen Stutenseer Waldorfkindergarten. Das Holzhaus in Modulbauweise soll den Kindern ein Ort voller Wärme, Geborgenheit und Sicherheit sein, so Achim Stoltz aus dem Vorstand des Vereins zur Förderung der Waldorf-Pädagogik in Stutensee – zumindest vorübergehend, bis ein neuer Ort gefunden wird. Weiter

Spiel

  • Mai 2023: Gedanken zum Kinderspiel. Im aktuellen IASWECE Rundbrief (Mai/2023) finden sich Gedanken zum Kinderspiel von Joan Almon, Christopher Clouder, Sally Jenkinsons sowie dem Gründervater der Vereinigung der Waldorfkindergärten Helmut von Kügelgen. Der Rundbrief mit Berichten und Nachrichten von Waldorfkindergärten aus aller Welt kann hier abonniert werden: Weiter

  • 06.05.2023: Waldorfpuppen. Ein Körper aus Stoff und ein liebevoll gearbeitetes Köpfchen mit Haaren aus Wolle: den Rest ergänzt die Phantasie. Waldorfpuppen sind allseits beliebt, nicht nur unter Waldorfeltern und -erzieherinnen. In etwas abgewandelter Form werden sie von Steffi Flauger und Inga Krahl in Gießen hergestellt oder können in Kursen selbst genäht werden. Weiter

Mehrsprachigkeit

  • Mai 2023: Mehrsprachigkeit in der Kinderkrippe. Häufig sind schon die ganz Kleinen mit mehreren Sprachen umgeben. Die Kinderkrippe ist dann der Ort, wo sie die deutsche Sprache erwerben. Um diese Herausforderung gut zu meistern hat ein Kita-Team eine Fortbildung zum Thema Mehrsprachigkeit durchgeführt. Ulrike Bishop erzählt davon, wie viel Freude es machen kann, sich gemeinsam durch die Sprachen zu entwickeln. Weiter

  • 02.05.2023: Brüksel Iahanasi oder Rosenkohl. Ryke und Emil von Kakadu (Deutschlandfunk Kultur) gehen der Frage nach, ob bestimmte Gerichte – zum Beispiel Rosenkohl – in anderen Sprachen besser schmecken und warum … Weiter

  • April 2023: Chancen der Mehrsprachigkeit. Deutsch in der Schule, Herkunftssprachen zu Hause: eine große kulturelle Ressource, stellt Theodoros Marinis von der Universität Konstanz fest. Die Förderung von Mehrsprachigkeit ist wichtig. Methoden wie zum Beispiel das „Translanguaging“ tragen dazu bei, dass alle Sprachen der Kinder Wertschätzung erfahren. Weiter

Kindergesundheit

  • Rundum gesunde Kinder. Der Dachverband Anthroposophie Medizin in Deutschland stellt vielerlei Hilfreiches und Informatives zum Thema Kindergesundheit heute in Form von Videos und Interviews mit Expert:innen zur Verfügung: Geburtshilfe, Fieberfragen, Umgang mit Allergien, Ernährungsthemen, Therapieangebote, Reizüberflutung und viele mehr. Damit können Sie spielerisch und schnell Anregungen und Tipps finden. Weiter

Kindheitspädagogik studieren

  • Neuer dualer Studiengang. Die Alanus Hochschule in Alfter bietet einen neuen Studiengang ab September 2023 in Voll- oder Teilzeit an. Das Kind im Fokus, mit „Kopf, Herz und Hand“ (Janne Fengler im Video): Kindheitspädagogik mit Waldorf-Schwerpunkt. Wissenschaftlich und praktisch – kleine Lerngruppen, große Entwicklungschancen im Studium. Bewerbungen sind jederzeit möglich. Weiter  Video dazu

  • Neues aus dem Goetheanum und der Pädagogischen Sektion

    Pädagogik als Feld unbedingter Verantwortung. „Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, Kinder zu empfangen und ihnen eine autonome Teilhabe an der gemeinsamen Welt zu ermöglichen. Dies, weil wir Menschen sind und das Geborensein uns als ein Geschenk der Natur gegeben ist. Ein Beitrag von Constanza Kaliks zur Vortragsreihe ‚Freiheit und Verantwortung‘“.  Weiter

    08.03.2023: Was heißt hier Wille? Der Wille bahnt sich den Weg aus unserem Innern hinaus in die Welt, um etwas zu schaffen –  angefeuert durch Motiv, Begierde, Trieb und Instinkt. Wolfgang-M. Auer, Autor, Dozent und langjähriger Waldorf-Lehrer zeigt auf, wie Erziehung den Willen unterstützen kann. Weiter

Neuerscheinungen und Tipps

  • Mit allen Sinnen Kind sein.
    Philipp Gelitz, Dozent am Institut für Kindheitspädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter ist Autor einer neuen Broschüre unserer Reihe „Recht auf Kindheit – ein Menschenrecht!“. Mit seiner Darstellung der verschiedenen Sinne als Tore zur Welt und ihrer Bedeutung für die Bildung der Persönlichkeit bearbeitet er ein zentrales Thema der Waldorfpädagogik.

    Philipp Gelitz wurde 2022 mit einer empirischen Arbeit über Pädagogische Qualität in Waldorfkindergärten und Waldorfkrippen an der Universität Passau promoviert. Das Thema wurde in dieser Breite wissenschaftlich bisher noch nicht bearbeitet. Die Arbeit stellt daher einen der wenigen Brückenschläge zwischen Erziehungswissenschaft und vorschulischer Waldorfpädagogik dar. Gefördert wurde das Promotionsprojekt vom Graduiertenkolleg Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule. Hier finden Sie die Broschüre

    Buchbesprechung von Markus Wegner, Kindergarten- und Schularzt.

    Jetzt erscheint sie wieder: Die Reihe „Recht auf Kindheit“ in frischer, farbiger und ansprechender Aufmachung! Nach dem ersten Heft „Sprachentwicklung des Kindes im digitalen Zeitalter“ von Rainer Patzlaff ist nun die bebilderte, luftig gedruckte und gut zu lesende Broschüre zur Sinnesentwicklung von Philipp Gelitz herausgekommen. Einführend beschreibt Gelitz, dass und wie Lernen in frühester Kindheit durch Exploration und Erfahrung der Umgebung und Lebenswelt geschieht und nicht etwa durch inhaltliche Belehrung: „Gelernt wird unbewusst über ein sinnliches Eintauchen in alles, was das Leben so bereithält.“Im Folgenden werden knapp und übersichtlich Bezüge zu Kognitionswissenschaft, moderner Sinnesphysiologie und der Phänomenologie hergestellt. Daraus entwickelt Gelitz einen Bogen von den gängigen fünf Sinnesorganen über die elf sensorischen Systeme bis zu den seelischen Erfahrungsfeldern, die zu den zwölf Sinnesgebieten führen, wie sie Rudolf Steiner beschreibt und in der umfassend aufgeführten Sekundärliteratur dargestellt werden.

    Die vier sogenannten basalen Körpersinnesfelder (Tastsinn, Lebenssinn und Vitalitätserleben, Eigenbewegungssinn, Gleichgewichtssinn) werden beschrieben und in ihrer Bedeutung als weitgehend unbewusste sinnliche Grunderfahrung der eigenen Leiblichkeit, als „Fundament für alles Weitere“ gewürdigt; sie veranlagen Selbstsicherheit und Selbstvertrauen. Hier wie in den folgenden Abschnitten geht es darum, wie diese Sinne entfaltet, gepflegt, angeregt und gefördert werden können und in welcher Art die Gestaltung der Lebens-Umwelt des Kindes für deren Entfaltung dienlich ist.

    Die vier „Gefühlssinne“ – Wärmesinn, Geschmackssinn, Geruchssinn und Sehsinn – vermitteln mit ihrer Ausreifung verschiedene Qualitäten der Außenwelt und gleichzeitig teilweise intensive Gefühlserlebnisse. Wird eine Vielfalt der Eindrücke angeregt und pädagogisch ermöglicht, so werde im Kind ein breites und vielfältiges Empfindungsleben veranlagt.

    Die vier Erkenntnissinne – Hörsinn, Wort- oder Sprachsinn, Gedankensinn und Ich-Wahrnehmungssinn – wenden sich hin zu den „inneren Qualitäten einer mir entfernt liegenden Außenwelt“. Sie erfordern das altersentsprechende Maß, die Klarheit und Wahrhaftigkeit in der Gestaltung dessen, was dem Kind zu Gehör gebracht und in Sprache, Gedankenwelt und im Gegenübersein vorgelebt wird. Sie leiten hin zum Erfassen dessen, welchen Sinn etwas hat: zur Sinnhaftigkeit.

    Die abschließenden Abschnitte weisen auf die permanente Kongruenz der immer gleichzeitig in verschiedenen Erfahrungsfeldern wahrnehmenden Sinne hin – sowohl im freien Spiel wie auch in sinnvollen hauswirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten – und stellen diese der Einseitigkeit der Sinneserfahrung via Bildschirm gegenüber.

    Schließlich wird das moderne Konzept des Embodiment (Verleiblichung) vorgestellt, das ebenfalls wie die Waldorfpädagogik der frühen Kindheit leiblich-sinnliche Erfahrungen als Grundlage der Verkörperung eines Selbst, der Person beschreibt: „Persönlichkeitsbildung durch echte Erlebnisse“ heißt der Untertitel der Broschüre – tätige Erfahrungen sind gemeint und werden beispielhaft beschrieben und angeregt.

    Philipp Gelitz entwirft in dieser Broschüre gerafft, erfahrungsnah und lebenspraktisch die Sinneslehre als Grundlage der Waldorfpädagogik der (frühen) Kindheit und stellt sie in den Kontext aktueller entwicklungspsychologischer, pädagogischer und philosophischer Konzepte. Es ist eine übersichtliche und doch umfassende Kurzdarstellung der Sinnesentwicklung und ihrer pädagogischen Begleitung entstanden, die Elternhäusern und Elternabenden im Bereich der Kleinkindpädagogik eine überzeugende Zusammenfassung und Anregungen zur Verfügung stellt. Leserinnen und Leser sind eingeladen, die angesprochenen Zusammenhänge anhand des guten Quellen- und Literaturverzeichnisses zu vertiefen.

    Dieser ersten und allen weiteren Auflagen dieser Broschüre ist eine weite Verbreitung über Waldorfkrippen und Kindergärten hinaus zu wünschen: Alle, die sich mit kleinen Kindern pädagogisch beschäftigen, vor allem auch junge Eltern, werden von der Lektüre sehr profitieren

Veranstaltungen

  • 18.–22.09.2023 Eurythmie im ersten Jahrsiebt/Kindergarteneurythmie (Vollzeit)
    Freie Hochschule Stuttgart mit Kjell Häggmark und Matthias Jeuken.

    Neben den Grundlagen der Menschenkunde des ersten Jahrsiebtes werden die verschiedenen Aspekte der Eurythmie mit kleinen Kindern in Waldorfschulen und -kindergärten erarbeitet. Unterrichtserfahrene Pädagogen und Eurythmistinnen geben Ihnen im Kurs die Gelegenheit, seminaristisch an Eurythmieprogrammen für das Kindergartenalter zu arbeiten.

    Die Intensivwoche zur Kindergarteneurythmie ist Teil des Kursprogramms des Masterstudienganges »Eurythmiepädagogik«.

    Bei Interesse, bitte melden Sie sich bitte bei Prof. Matthias Jeuken: jeuken@freie-hochschule-stuttgart.de
    Weitere Information gibt es über Christine Peukert: peukert@freie-hochschule-stuttgart.de
    . Zur Website

Termine & Veranstaltungen von uns und unseren Kooperationspartnern

  • Fachtag Eurythmie im Waldorfkindergarten:
    9. September 2023 Mainz - Download Flyer
    16. September 2023 Stuttgart - Download Flyer
    6. Oktober 2023 Hannover - Download Flyer
    7. Oktober 2023 Frankfurt - Download Flyer

  • Gesellschaft anthroposophischer Ärzte Deutschland:
    Prävention - sexualisierte Gewalt im Kindesalter verhindern
    20. September 2023, 18.00-21.30 Uhr Medizin- und Pädagogik-Livestream
    Für Ärzt:innen, Assistenzärzt:innen, Medizinstudierende, Pharmazeut:innen, Therapeut:innen, Pädagog:innen, Eltern und Interessierte
    Zur Buchung des Livestreams >>

  • Vertreterversammlung der Vereinigung der Waldorfkindergärten:
    17. bis 19. November, Mainz

 

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