Natalie Rehm ist Erziehungsbegleiterin mit dem Schwerpunkt Frühe Kindheit. Sie arbeitet mit werdenden Eltern sowie Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern.
Frühe Kindheit | Sie haben Kunstgeschichte studiert und sind dann Erziehungsbegleiterin geworden. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Natalie Rehm | Das hat sich durch das Leben ergeben. Es gibt keinen vorgezeichneten Weg von der Kunstgeschichte zur Kleinkindpädagogik, deswegen sage ich immer: Das Leben hat mir den Weg gewiesen dadurch, dass ich Mutter geworden bin. Durch den Umzug in die Schweiz war es mir nicht möglich, als Kunsthistorikerin weiter tätig zu sein. Ich habe also meinen Uni-Job an den Nagel gehängt, geheiratet und Kinder bekommen. Als die Kinder dann ein bisschen größer wurden, hatte ich den Wunsch, das, was ich in den letzten Jahren als Mutter im privaten Umfeld gemacht habe, auszuweiten: bei Erziehungsfragen zu beraten.
Als meine Kinder in den Kindergarten und in die Schule gingen und die Pädagogen auf Elternabenden erklärten, dass die Kinder heute in bestimmten Bereichen immer mehr Schwierigkeiten hätten, dass gewisse Fertigkeiten nicht mehr selbstverständlich seien, bin ich aus allen Wolken gefallen. Die Probleme, die geschildert wurden, haben mich innerlich erschüttert, obwohl meine Kinder nicht direkt betroffen waren. Durch meine Recherchen wurde mir bald deutlich, dass es sich um ein allgemeines Problem handelt und dass die Grundlagen für Fähigkeiten, die später in der Schule wichtig sind, ganz früh angelegt werden, so früh, dass kein Mensch daran denkt, wie wichtig das eigentlich ist, was in den ersten Lebensjahren stattfindet. Und vor allem wurde mir klar: Es sagt mir auch keiner! Es gibt kaum jemanden, der einen darauf aufmerksam macht, wie wenig dienlich manche Handlungsweisen und Umgangsweisen der kindlichen Entwicklung eigentlich sind. Hier ist vor allem Bewusstsein notwendig – das ist die erste wichtige Arbeit, die da zu leisten ist.
Schließlich habe ich die Initiative ergriffen und die Chefgynäkologin am örtlichen Spital gefragt, ob sie Bedarf sehe, Eltern auf ihrem Weg ins Elternsein zu begleiten. »Ja«, antwortete sie, »mit dem Ansatz von Emmi Pikler«. Die Arbeit der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler (1902 – 1984) war sowieso mein Steckenpferd. So habe ich mich in Zürich zur Erziehungsbegleiterin weitergebildet und Kurse entwickelt, in denen grundlegende Themen der frühkindlichen Entwicklung, aber auch Fragen der Pflege, der Erziehung und Beziehung behandelt werden.
FK | Wie haben Sie die Arbeit von Emmi Pikler kennengelernt?
NR | Als Abiturientin erfuhr ich durch meine Cousinen von Emmi Pikler. Wir waren begeistert von ihrem Buch Friedliche Babys – zufriedene Mütter. Zudem gab es in unserem jeweiligen persönlichen Umfeld einige, die früh Eltern geworden sind. Ich war damals sehr jung, hatte aber das Gefühl: Das ist keine graue Theorie, sondern ein Ansatz, der mit einer unglaublich intensiven Beobachtungsgabe wirklich dem Leben abgelauscht ist. Es wurde mir klar: So möchte ich später auch meine Kinder ins Leben begleiten. – Und mit Emmi Pikler haben wir doch wieder eine Verbindung zur Kunstgeschichte – da kommt es ja auch aufs Schauen an, aufs Beobachten, aufs Sehen. Das Studium der Kunst-geschichte und die Arbeit als Kunsthistorikerin hilft mir in meiner jetzigen Tätigkeit, genau hinzuschauen, zu beobachten und zu beschreiben.
FK | Inwiefern ist die frühe Begleitung der Eltern entscheidend und wie kann der Ansatz von Emmi Pikler dabei helfen?
NR | Erziehung beginnt mit dem ersten Atemzug, das wird oft vergessen. Natürlich muss man differenzieren, was Erziehung genau heißt oder was gerade in der Entwicklung dran ist, aber die Pädagogik an sich spielt von Anfang an eine wichtige Rolle. Als begleitende Erwachsene stellen wir den Kindern einen Entwicklungsrahmen zur Verfügung. Das ist unsere Aufgabe. Die Aufgabe der Kinder ist, in den ersten Lebensjahren gehen, sprechen und denken zu lernen. Wir müssen uns fragen, wie wir sie darin unterstützen können und ihnen den Raum geben, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln, sich frei zu entfalten und sie dabei nicht zu behindern. Emmi Pikler geht davon aus, dass Kinder aus eigener Kraft gehen lernen, vorausgesetzt, sie treffen auf die entsprechenden Rahmenbedingungen. Ihr zufolge bewegen sich alle gesunden Kinder entsprechend ihren individuellen Anlagen harmonisch, geschickt und sicher, wenn sie Gelegenheit haben, ihre motorischen Fähigkeiten aus eigenem Vermögen zu erwerben. Es gibt meines Wissens nichts besser Dokumentiertes über die frühkindliche Bewegungsentwicklung als die Arbeit Piklers. Als Kinderärztin hat sie etwas erkannt, was in der menschlichen Natur liegt: Jeder Mensch, der gesund ist, hat das innere Ziel, aus sich heraus laufen zu lernen. Der Mensch ist durch den aufrechten Gang charakterisiert; dadurch unterscheidet er sich vom Tier. Insofern haben wir es hier mit einer spezifisch menschlichen Entwicklungsaufgabe zu tun. Relativ häufig passiert es allerdings, und zwar oft unbewusst und selbstverständlich ohne böse Absicht, dass wir in die natürliche Entwicklung eingreifen und Gefahr laufen, sie mehr oder weniger ungünstig zu beeinflussen.
FK | Inwiefern können Eltern die Entwicklung der Kinder behindern?
NR | Die meisten Eltern haben den Impuls, dem Kind beispielsweise die Hand zu reichen, wenn es laufen lernt, weil man sich ja so mitfreut, und Kinder manchmal auch ein bisschen ungehalten werden, wenn sie so kurz vor dem Ziel sind; dann sind sie wirklich nörgelig, weil sie merken: Sie können es schon fast, aber noch nicht ganz, sie brauchen noch ein bisschen Hilfe, und die holen sie sich dann gerne von außen, wenn der Finger des Erwachsenen bereitwillig daher kommt, weil wir immer den Impuls haben, dem Kind zu helfen. Den Impuls trägt der Mensch tief in sich, und der ist äußerst positiv zu sehen. Wir sollten uns aber fragen, welche Hilfe Kinder wirklich brauchen. In bestimmten Situationen kann es besser sein, Kindern nicht alles abzunehmen. Man kann an sich arbeiten und lernen, sich in einem solchen Fall bewusst zurückzunehmen beziehungsweise nur dann einzugreifen, wenn es wirklich notwendig ist.
FK | Können Sie das an einem weiteren Beispiel erläutern?
NR | Eine andere Situation ist das Essenlernen. Gerade beim Essenlernen überfordern wir die Kinder oft, ohne es zu merken. Für uns ist Essen etwas so Selbstverständliches geworden und da das Verdauen im Inneren verdeckt vor unseren Augen stattfindet, ist uns nicht bewusst, dass man das auch erst lernen muss. Das heißt, für Kinder ist das Essenlernen nicht nur motorisch eine große Herausforderung, sondern auch verdauungstechnisch. Da brauchen sie eine besonders feinfühlige Begleitung, um nicht die natürliche Freude und Lust am Essen zu verlieren. Das war Piklers größtes Anliegen: Die Freude am Essen sollte immer an oberster Stelle stehen.
Alles andere ist zweitrangig, aber natürlich nicht egal. Ich finde ihren Weg, die Kinder von der ersten Ernährungsform, Brust oder Flasche, dahingehend zu begleiten, dass sie lernen, selber aus dem Glas zu trinken und mit dem Löffel zu essen, wirklich am dienlichsten für das Kind und ehrlich gesagt auch für die begleitenden Erwachsenen und vor allem für eine Gruppensituation, weil es für alle am tragfähigsten ist. Aber es erfordert eine ganz individuelle Begleitung in vielen kleinen Schritten, bis Kinder nicht nur selbstständig essen können, sondern auch reif für gemeinsame Mahlzeiten in der Gruppe sind, was ja Bereitsein für soziales Lernen voraussetzt.
FK | Wie kann dieser schwierige Übergang entwicklungsgemäß begleitet werden?
NR | Pikler hat immer etwas Vertrautes mit einem neuen Element verknüpft.
Während die erste Ernährungsform – Muttermilch oder Flaschenmilch – durch Saugen aufgenommen wird, bietet man dem Kind, wenn es soweit ist, Wasser oder Tee aus einem Trinkglas mit leicht nach außen gewölbtem Rand an. Auf diese Weise kann es sich langsam an den neuen Geschmack, die ungewohnte Konsistenz sowie die unbekannte Darreichungsform gewöhnen. Wenn es mit dem Trinken aus dem Glas vertraut ist, dann kommt auch einmal eine andere Substanz ins Glas, beispielsweise anfangs ein sehr flüssiger Brei, den es nämlich auch aus dem Glas trinken kann.
Mit der Zeit geht man dazu über, den Brei, den es ja inzwischen kennt und gut annimmt, mit einem kleinen Löffel ohne scharfe Kanten aus dem Glas zu geben. Anfangs füttert der Erwachsene das Kind auf dem Schoß sitzend, denn die Technik, etwas vom Löffel zu nehmen, ist wirklich schwierig für Kinder. Das erfordert viel Geduld und auch immer die Bereitschaft vom Erwachsenen, einen Schritt zurückzugehen, abzuwarten und dann wieder neu zu probieren, damit das Kind in sensibler Form mit dem Essenlernen vertraut werden kann. Wenn es die dargereichte Nahrung bereits geschickt vom Löffel nimmt, kann man es schließlich selbst mit dem Löffel hantieren lassen. Das setzt voraus, dass es schon selbstständig sitzen kann, denn es darf das an seinem eigenen Platz sitzend üben. In dieser Phase kann die Zwei-Löffel-Methode hilfreich sein, das heißt, der Erwachsene füttert das Kind zwischendurch mit einem extra Löffel. Es ist sehr wichtig, dass wir hier besonders feinfühlig sind, weil Essgewohnheiten und Essschwierigkeiten sehr früh angelegt werden. In der Beratung sind Essen und Schlafen die zwei großen Themen – es sind wirklich sehr sensible Punkte. Viele Erwachsene haben traumatische Erlebnisse mit dem Essen in ihrer Kindheit gehabt, die zum Teil ein Leben lang nachwirken.
FK | Wie lässt sich unterscheiden, ob man dem Kind noch Raum für die eigene Entwicklung geben darf oder ob man versäumt, notwendige Hilfestellung zu geben?
NR | Man muss sehr geübt sein und sehr viel Erfahrung haben, um bestimmte Auffälligkeiten zu erkennen. Liegen pathologisch-medizinische Auffälligkeiten vor, so sieht man das meist sehr schnell und dann ist medizinische Hilfe notwendig. Entwicklungsauffälligkeiten allerdings lassen sich meist erst dann erkennen, wenn das Zeitfenster für die Entwicklung vorhanden ist und doch kann man mit einem geschulten Blick recht früh wahrnehmen, wenn etwas nicht stimmt. Dazu ist notwendig, dass man sich die Gesamtentwicklung eines Kindes anschaut. Dann kann man auch ein Gespür dafür entwickeln: Wo liegt die Grenze zum Normalen, zu einer harmonischen, gesunden Entwicklung, und wo muss man wirklich schauen, dass man da eventuell unterstützend eingreift, therapeutisch tätig wird. Das erfordert ein sehr umfassendes Verständnis von Entwicklung.
FK | Kennen Sie auch die Situation, dass mit dem Ansatz – das Kind entwickelt sich aus sich selbst heraus – etwas aus dem Ruder gelaufen ist, ein Schritt der Förderung verpasst wurde?
NR | Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte einmal eine Mutter mit einem Kind in meinem Kurs, das eine beidseitige schwere Hüftdysplasie hatte und sechs Wochen lang eingegipst war. Der Mutter hatte man gesagt, dass ihr Kind sehr wahrscheinlich operiert werden müsse, wenn es vier Jahre alt ist. Am Ende des Kurses hat sie berichtet, dass sie aus eigenem Entschluss die Anregungen der Pikler-Pädagogik teilweise umgesetzt und mit den physiotherapeutischen Übungen aufgehört hat, da ihr der Piklersche Ansatz, das Kind sich wirklich selbst die Bewegungsabläufe aneignen zu lassen, unmittelbar eingeleuchtet hat. Noch während des Kurses hatte sie regelmäßige Kontrolltermine beim Orthopäden, der von Mal zu Mal erstaunter war, wie positiv sich die Hüften des Kindes auf einmal entwickelten. Er konnte es kaum glauben. Sie selbst war total überrascht, dass ihr Kind insgesamt viel ruhiger geworden war. Vier Jahre später hatte ich zufällig wieder Kontakt zu der Mutter. Von einer Operation ihres Kindes war überhaupt nicht mehr die Rede, da die Hüften vollständig ausgeheilt waren. Das war für mich das offensichtlichste Beispiel dafür, dass eine Entwicklung, die anfangs nicht so optimal ausgesehen hat, sich durchaus zum Positiven wenden kann, wenn wir der natürlichen Entwicklungskraft der Kinder genügend Vertrauen entgegenbringen und für entsprechende Bedingungen sorgen, ohne die medizinische Kontrolle zu vernachlässigen.
FK | Was ist von Ihrer Seite entscheidend für die Begleitung von Eltern und Kindern?
NR | Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass vor allem die innere Haltung, die Gedanken der Erwachsenen über die menschliche Entwicklung, einen großen Einfluss hat. Oft sagten Eltern solche Sätze wie: »Hier im Kurs dreht sich mein Kind zum ersten Mal auf die Seite oder auf den Bauch. Zuhause hat es das noch nicht getan.« Lange habe ich mich gefragt, womit das zusammenhängen könnte. Vermutlich ist es nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Kinder im Kurs auf einer harten Unterfläche lagen, nicht herumgetragen oder ständig gehalten wurden, in Ruhe sein und ihren spontanen Bewegungen ungestört folgen konnten. Möglicherweise spielte dabei auch die innere Haltung – das Kind kann die einzelnen Bewegungsschritte aus sich selbst heraus meistern –, der innere Raum, der dafür da war, eine wichtige Rolle. Mir scheint, dass eine solche Einstellung eine sehr wichtige Entwicklungshilfe für Kinder ist. Sie kann auch in schwierigen Situationen dazu beitragen, dass sich Kinder positiv entwickeln. In solchen Fällen, in denen medizinischer Rat gefragt ist, mische ich mich natürlich nicht ein. Es entscheiden immer die Eltern, welchen Weg sie gehen und welche Anregungen sie übernehmen wollen.
FK | Würden Sie sagen, dass der Ansatz, jedes Kind lernt bestimmte Dinge aus sich selbst heraus – vorausgesetzt die Umgebung ist entsprechend eingerichtet – immer Gültigkeit hat?
NR | Da muss man unterscheiden: Wenn ein Kind zum Beispiel querschnittsgelähmt ist, haben wir es mit einer pathologischen Situation zu tun, es entwickelt sich unter anderen Voraussetzungen, da muss man natürlich anders handeln. Dann sind wir dazu aufgerufen, und zwar unbedingt, sonst ist das fahrlässig, das Kind medizinisch-therapeutisch eng zu begleiten. Ich bin für die gesunde Entwicklung zuständig. Als Erziehungsbegleiterin kann ich Eltern nur darauf hinweisen, wenn ich Auffälligkeiten wahrnehme, – die Abklärung und Therapie machen dann die Spezialisten. Und sicher sind manchmal Eingriffe von außen nötig, damit ein Kind überhaupt weiterkommt, aber dann liegt eben auch eine besondere Situation vor.
Im Rahmen einer normalen Entwicklung sind äußere Eingriffe in dem Sinn, wie sie oft verstanden werden, meist nicht notwendig: Wir machen etwas prophylaktisch mit dem Kind oder wenigstens in dem Glauben, ihm dadurch zu einer besseren oder schnelleren Entwicklung zu verhelfen, also ich meine, dass viele Erwachsene davon ausgehen, dass sie zum Beispiel die Bewegungsentwicklung begünstigen, indem sie wenigstens ein bisschen nachhelfen. Insgesamt greifen wir viel zu viel ein, vor allem in die gesunde Entwicklung.
FK | Ihr Buch Gehen – Sprechen – Denken. Wie sich Babys aus eigener Kraft entwickeln enthält ein kleines Kapitel: »Selbstbildung der Babys – Selbsterziehung der Erwachsenen«. Was meint das genau?
NR | Dass Kinder die Fähigkeit mitbringen, sich aus ihrem Selbst heraus zu entwickeln, das heißt, sich selber zu bilden, wenn wir die entsprechenden Bedingungen dafür schaffen. Dazu zählt die Selbsterziehung des Erwachsenen, zum Beispiel, dass wir uns in Geduld üben. Wir können lernen, unseren positiven, spontanen Impuls, Kindern bei jedem Hindernis zu Hilfe zu eilen, zurückzunehmen. Denn an der falschen Stelle angebracht, wirkt er eher kontraproduktiv. Zu dieser Selbsterziehung gehört auch, dass wir lernen, mit unseren Gedanken umzugehen, dass wir uns überhaupt Gedanken über die frühe kindliche Entwicklung machen. Mit ihr sollten wir uns intensiv beschäftigen, um eine Ahnung davon zu bekommen, was die Kinder tatsächlich brauchen.
Weiter können wir lernen, unsere Gedanken zu kontrollieren, unsere Gefühle zu beherrschen und auch unser Handeln bewusster zu gestalten. Außerdem sollten wir da sein, wenn das Kind uns wirklich braucht. Wenn wir uns dem Kind zuwenden, es berühren, mit ihm sprechen, sollte das voll und ganz aufmerksam und einfühlsam geschehen – nicht nebenbei.
Es handelt sich also um ein Abwägen zwischen einem scheinbaren Nichtstun in Form einer bewussten inneren Haltung in Kombination mit einem genauen Beobachten sowie einem fundierten Wissen darüber, wo und wann wir eingreifen sollten, wo wir unbedingt gefragt sind. Beispielsweise ist es unsere Aufgabe, das Kind zu versorgen. Es kommt nicht nur darauf an, was wir mit Kindern tun, sondern vor allem darauf, wie wir es füttern, frisch machen, baden, anziehen, aus dem Bett nehmen. All das kann man lernen.
Das kann niemand von Anfang an. Entsprechende Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen können wir uns zu Herzen nehmen, uns aneignen und durch fortwährendes Üben weiterentwickeln.
FK | Sind die Eltern für eine solche Selbsterziehung offen?
NR | Wir besprechen das Thema Selbsterziehung nicht explizit, aber durchs Beobachten und durchs Vorbild sind viele Eltern empfänglich dafür. Sie lassen sich inspirieren, greifen Ideen auf, setzen sie teilweise um und durch das, was ihre Kinder ihnen dann zeigen, durch die eigene Erfahrung, nehmen sie den positiven Effekt wahr. Sie erleben an ihren Kindern unmittelbar, dass es sich lohnt.
Für mich selbst habe ich das Bild gefunden: Ich kann die Samen aussäen, aber sie fallen auf unterschiedlich fruchtbaren Boden. Das liegt außerhalb meiner Reichweite und Aufgabe. Ich begleite jeden gern, der sich für die von mir angebotene Begleitung interessiert. Oft bin ich tief berührt, welche großen Entwicklungsschritte die Eltern selbst dabei vollziehen.
Das Gespräch führte Ariane Eichenberg.
Literatur: N. Rehm: Gehen – Sprechen – Denken. Wie sich Babys aus eigener Kraft entwickeln. München 2021. Link: natalierehm.de