Kindergärten sind zur Dokumentation der kindlichen Entwicklung gesetzlich verpflichtet. Im Auftrag der Waldorfkindergartenvereinigung Nordrhein-Westafalen wurde – wissenschaftlich begleitet von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn – ein Beobachtungs- und Dokumentationsinstrument auf Grundlage der Waldorfpädagogik vorgelegt. Die Erziehungswissenschaftlerin Margarete Kaiser hat das Verfahren mit dem Namen „TRIALOG“ entwickelt.
Mit „TRIALOG“ liegt ein Arbeitsmaterial für die regelmäßige Wahrnehmung der Kinder in Kindertageseinrichtungen im Alter von 1-6 Jahren vor. Es dient der Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von Entwicklungsgesprächen mit Eltern und/ oder Kollegen. Es erfüllt die Anforderungen eines Beobachtungs- und Dokumentationsinstrumentes im Sinne der landesspezifischen Kinderbildungsgesetze für den elementaren Bildungsbereich. Auch wenn spezifische Verfahren vorgeschrieben werden, lohnt es sich jeweils zu prüfen, ob durch das Eintreten für ein evaluiertes Waldorfverfahren, die Umsetzung eines alternativen, konzeptionsspezifischen Verfahrens toleriert wird (siehe unten).
Anlass für die Entwicklung dieses Verfahrens war, dass 2014 in NRW eine Umstellung der verpflichtenden Sprachentwicklungsdokumentation für Kinder im Vorschulalter vorgenommen wurde. Das Testverfahren (Delfin 4) erwies sich nach sieben Jahren als ungeeignet, die Sprachbildungschancen für Kinder zu verbessern. An seine Stelle traten eine besondere Auswahl von alltagsintegriert durchzuführenden Verfahren mit gleichzeitig beginnender Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte im Bereich Sprachbildung -förderung und -dokumentation. Ein Fachkollegium der Vereinigung der Waldorfkindergärten in NRW befand nach eingehender Überprüfung, dass von den zur Auswahl stehenden Verfahren „BaSiK“ (Zimmer, R., 2014) sich für die Praxis der Waldorfkindergärten am ehesten eignet, weil es von einer umfassenden Bewegungs- und Sinnespflege als Voraussetzung für die Sprachentwicklung ausgeht. Es lag nahe im nächsten Schritt zu überlegen, wie darüberhinaus die weiteren Entwicklungsbereiche des Kindes im Sinne der Waldorfpädagogik, ebenso alltagsintegriert, erfasst werden können. Mit Beschluss der Gesamtkonferenz der Vereinigung in NRW im Frühjahr 2015, wurde ein Fachkreis beauftragt ein Verfahren zu entwickeln, welches die gesamte Entwicklung des Kindes in einem einheitlichen Verfahren erfasst. Damit verbunden standen folgende Fragen im Focus:
Ziel war somit ein Verfahren zu entwickeln, welches eine Systematik anbietet, die dem Charakter der sogenannten Kinderkonferenz möglichst nahekommt. Das Arbeitsmaterial sollte geeignet sein, das Kind als individuelles Wesen zu charakterisieren und die Sinnes- und Wahrnehmungsentwicklung differenziert zu beschreiben.
Das Team Bildungsdokumentation der Vereinigung NRW steuerte das Projekt, Mitglieder waren: Prof. Dr. St. Greubel, Cornelia Jachmann, Margarete Kaiser, Ulrich Neumann, Prof. Dr. Rainer Patzlaff, Petra Thal und zu Fragen der Sprachbildung Lisbeth Wutte. Für den Rat der Region NRW beteiligten sich Sabine Zander und Mieke Quint. Die wissenschaftliche Evaluation und Begleitung des gesamten Prozesses wurde von Prof. Dr. St. Greubel und Cornelia Jachmann (Alanus – Hochschule, Alfter) durchgeführt. Der umfassende Evaluationsbericht kann auf der Seite der Vereinigung der Waldorfkindergärten NRW www.waldorfkindergarten-nrw.de eingesehen werden. Zahlreiche pädagogische Fachkräfte, Trägerverantwortliche und Eltern der Waldorfkindergärten in NRW wirkten aktiv an der Erstellung des Verfahrens und seiner Erprobung für die Praxis mit, sie ermöglichten und unterstützten damit die wissenschaftliche Evaluation des Verfahrens. Die Aufwendungen von € 56.000 für dieses Praxisforschungsprojekt wurden aus Mitteln der Vereinigung der in NRW finanziert. Mit großer Dankbarkeit blicken wir auf die gelungene professionelle, gut verzahnte Zusammenarbeit aller am Entwicklungs- und Forschungsprozess von TRIALOG Beteiligten zurück.
TRIALOG ermöglicht eine waldorfspezifische Sicht auf das Kind. Es erfasst zusammen mit BaSiK alle Bildungsbereiche des Kindes und bietet eine umfassende Vorbereitung für das regelmäßige Entwicklungsgespräch mit den Eltern. Die emphatische Einstimmung der Gesprächspartner auf das Kind lässt zu, sich in seine Perspektive einzufühlen. Ein mehrstufiger Ablauf des Verfahrens mit einem Vorschlag für die Zeiteinteilung der jeweiligen Schritte trägt dazu bei zeitliche Ressourcen nicht aus dem Blick zu verlieren. Darüber hinaus eignet sich TRIALOG als Grundlage für Kinderbesprechungen. Je nach den Kompetenzen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, pädagogischen Fachkräften, Therapeuten, Kindergarten- und Schularzt kann es, mit entsprechender Erweiterung um relevante Aspekte, zu einem interdisziplinären Fachgespräch im Sinne der „Kinderkonferenz“ erweitert werden. Die Autoren von „BaSik“ stimmten der Verwendung ihres Verfahrens, integriert in TRIALOG, nicht zu. Daher wird „BaSiK“ angefügt verwendet.
Die Anerkennung des Verfahrens durch die jeweiligen zuständigen Ministerien der Länder kann in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Vereinigung der Waldorfkindergärten e. V., den entsprechenden Fachkreisen und den Zuständigen bei den jeweiligen Ministerien angebahnt werden.
TRIALOG ist folgendermaßen gegliedert:
Heftung und Format von TRIALOG und BaSiK sind gleich, so dass die Materialien in einem Hefter pro Kind gesammelt werden und nach Abschluss der Kindergartenzeit den Eltern übergeben werden können.
Bezugsquelle
Vereinigung der Waldorfkindergärten e.V.,
- Bücherstube -
Le Quartier Hornbach 15,
67433 Neustadt a. d. Weinstraße
https://shop.waldorfkindergarten.de/
zum Shop der Vereinigung der Waldorfkindergärten
Die Geschäftsstelle der Vereinigung der Waldorfkindergärten e.V., Region NRW koordiniert Veranstaltungen zur Einführung des Verfahrens TRIALOG(Teamfortbildungen). Ende 2017/ Anfang 2018 beginnt eine Multiplikatorenschulung für Fortbildnerinnen und Fortbildner, zur Qualifizierung für TRIALOG –Teamfortbildungen gemäß landesspezifischer Richtlinien für Kindertagesstätten (voraussichtlich an 5 Wochenenden (Fr./ Sa.), Zertifizierung wird vorbereitet).
www.waldorfkindergarten-nrw.de
Magarete Kaiser
Im Anschluss an die Feier des 100. Geburtstages ihres Gründers, Helmut von Kügelgen, Ende des vergangenen Jahres und als Antwort auf den von Bildungsministerin Johanna Wanka initiierten Bildungspakt hatte die Vereinigung der Waldorfkindergärten eine Petition mit dem Titel „Digital-Kita? – Nein! // Ja zur konstruktiven Bildungsinvestitionen“ online gestellt. 67800 Menschen haben die Petition unterzeichnet.
Von Michael Wetenkamp
Digitale Medien sind aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Auch Kindertagesstätten werden von dieser Entwicklung berührt. Entwicklung von Robotern, die Zweisprachigkeit im Kindergarten unterrichten sollen (Universität Bielefeld) sowie die Ausstattung von Kleinkindgruppen in Kindergärten mit Tablets (Rheinland-Pfalz) sind nur zwei Beispiele eines unheilvollen Trends. Etliche Untersuchungen zeigen: dies behindert die körperliche, geistige, seelische und auch die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Nicht zuletzt die BLIKK-Studie, die von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Marlene Mortler in Auftrag gegeben und im vergangenen Mai in Berlin vorgestellt wurde, kommt zu diesem Ergebnis: „Wir müssen die gesundheitlichen Risiken der Digitalisierung ernst nehmen! Es ist dringend notwendig, Eltern beim Thema Mediennutzung Orientierung zu geben. Kleinkinder brauchen kein Smartphone. Sie müssen erst einmal lernen, mit beiden Beinen sicher im realen Leben zu stehen. Unter dem Strich ist es höchste Zeit für mehr digitale Fürsorge – durch die Eltern, durch Schulen und Bildungseinrichtungen, aber natürlich auch durch die Politik.“
Ziemlich genau ein halbes Jahr zuvor, am 19. November 2016, hatte die Vereinigung der Waldorfkindergärten anlässlich des 100. Geburtstags ihres Begründers Helmut von Kügelgen zu einem Symposium unter dem Titel „Kindheit wagen“ in das Kongresszentrum Hannover eingeladen. Dessen unermüdliches Plädoyer für die gesellschaftliche Stärkung gesunder Bedingungen des Aufwachsens von Kindern sowie die damit verbundene Gründung der Vereinigung der Waldorfkindergärten richtete sich kritisch gegen den frühen Medienkonsum – damals das Fernsehen. Die Hauptvortragenden des Symposiums, Frau Dr. Michaela Glöckler und Herr Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer, wiesen engagiert auf die Gefahren des zu frühen Umgangs mit digitalen Endgeräten hin. Am Ende des Symposiums stand der Impuls, sich mit einem öffentlichen Aufruf in Gesellschaft und Politik Gehör zu verschaffen: nach wenigen Tagen konnte die Petition der Vereinigung der Waldorfkindergärten „Digital-Kita? – Nein! // Ja zur konstruktiven Bildungsinvestitionen“ mit einem von Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer verfassten Text online gestellt werden.
Mit 67.800 Unterschriften gehört die Petition zu den erfolgreichsten Aktionen, die auf der Plattform „openPetition“ je durchgeführt worden sind. Sie hat für viel Öffentlichkeit im In- und Ausland gesorgt und die Vernetzung der mit dem Thema befassten Protagonisten enorm gefördert. Sehr viele Initiativen und Verbände – vom Paritätischen Wohlfahrtsverband über den deutschen Philologenverband bis hin zu Diagnose:Funk, einer Umwelt- und Verbraucherorganisation, haben sich an der Petition beteiligt, sie unterstützt, uns geschrieben. Besonders hinzuweisen ist auf die Initiative Eliant mit Sitz in Brüssel. Sie hat den Impuls aufgegriffen, zu ihrem Jahresthema 2017 gemacht und wird am 28. November 2017 eine kritische Fachkonferenz in Brüssel zur Digitalisierung in der Kindheit veranstalten. Erwartet werden etwa 200 Fachleute zum Thema: „Towards a healthy digital ecosystem: Values, Competences & Responsibilities“ (“Auf dem Weg zu einem gesunden, digitalen Ökosystem: Werte, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten“). Ihre Teilnahme zugesagt hat unter anderem Frau Martine Reicherts, Generaldirektorin der Europäischen Kommission für Bildung und Kultur.
So wird die Petition zu einem wichtigen Baustein neben weiteren vielfältigen Initiativen, die gemeinsam das Ziel haben, die Verletzung der Kindheit und Missachtung ihrer Würde durch das Forcieren der Nutzung des Digitalen bis in das erste Lebensjahr hinein aufzuhalten. Die Vereinigung der Waldorfkindergärten wird nach der jetzt erfolgten Bundestagswahl die nahezu 68.000 Unterschriften dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin überreichen. Das Bewusstsein für die Risiken der zu frühen Nutzung digitaler Endgeräte muss gestärkt werden.
Darüber hinaus wird sich die Vereinigung der Waldorfkindergärten mit weiteren Maßnahmen für den Schutz der Kindheit einsetzen: Wir unterstützen ein Forschungsprojekt von Frau Professor Dr. Bleckmann (Alanus Hochschule, Alfter bei Bonn) zur Medienerziehung an reformpädagogischen Einrichtungen. Aus den Ergebnissen dieses Projekts werden Empfehlungen resultieren, die in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern einfließen können. Wir werden weitere Gutachten zur Wirkung der Medien in der frühkindlichen Bildung fördern. Wir unterstützen die Initiative „Alliance for Childhood – Allianz für Kindheit“, die weltweit daran arbeitet, das Kindeswohl zu stärken. Wir werden uns auf der Ebene der familienpolitischen Verbände, auf Messen und an anderen Stellen an dem Diskurs über die Digitalisierung der Kindheit beteiligen. Es sind Veröffentlichungen geplant („Recht auf digitalfreie Kindheit“) sowie weitere bundesweite Fachtage und Kongresse. Der Newsletter der Vereinigung der Waldorfkindergärten informiert Sie aktuell über den weiteren Verlauf.
Michael Wetenkamp
Mitglied im Vorstand der Vereinigung der Waldorfkindergärten
Information zur Veranstaltung in Brüssel: https://eliant.eu/aktuelles/konferenz-nov-2017.
Das Innovationspotenzial zivilgesellschaftlicher Initiativen ist hoch. Um auch gesellschaftlich wirksam zu sein, brauchen sie Gehör. Die Fachtagung ‹öffentlich wirken› schult am Gemeinwohl orientierte Unternehmungen und ermöglicht ihnen, sich zu vernetzen. Zu den Veranstaltern gehört die Vereinigung der Waldorfkindergärten.
Kleine Startups, zivilengagierte Initiativen, ehrenamtliche Tätigkeiten, nicht zuletzt Lebensorte wie Waldorfkindergärten – sie alle tragen zur Verbesserung des gesellschaftlichen Lebens bei und verfügen über eine reiche Praxiserfahrung. Da ist Öffentlichkeitsarbeit nur noch ein kleiner Schritt, der aber oft zu kurz kommt. Oder es hakt an der handwerklichen Umsetzung.
Um das zivilgesellschaftliche Engagement durch Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit auch kleinerer Initiativen in der Welt der Konzerne zu stärken, impulsierten anthroposophisch orientierte Medienschaffende die Initiative ‹öffentlich wirken›. Seit 2011 die erste Fachtagung für Kommunikation ‹öffentlich wirken› stattfand, begegnen Menschen aus gemeinwohlorientiertem Kontext mit Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit Experten und Profis aus der Medienwelt. Beispielsweise zählt der Chefredakteur Christoph Fasel zu den regelmäßigen Dozenten, beim letzten Mal wirkten unter anderem Sven Giegold, Sarah Wiener und Bernd Ziesemer mit. Angesichts von Fake News und dem Angriff auf gesellschaftliche Werte steht die Tagung in diesem Jahr unter dem Leitthema ‹Haltung zeigen – Farbe bekennen in der Kommunikation›.
Die Fachtagung für Kommunikation „öffentlich wirken“ informiert über die Kommunikationsinstrumente von heute und vermittelt das Rüstzeug für die täglichen Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit. Langjährige Profis lassen Sie teilhaben an ihren Erfahrungen. In Workshops können Sie lernen, wie Sie die verschiedenen Techniken an Ihre Bedürfnisse anpassen.
Zu den Veranstaltern zählen Unternehmen wie die GLS Bank, Wala und Weleda, Organisationen wie Anthropoi, Bund der Freien Waldorfschulen und Vereinigung der Waldorfkindergärten, die Software AG Stiftung sowie Bildungseinrichtungen wie die Alanus-Hochschule und die Akademie für Waldorfpädagogik. Das Goetheanum, Dornach bringt sich über die Wochenschrift ‹Das Goetheanum› und die Medizinische Sektion mit ein.
‹Haltung zeigen – Farbe bekennen in der Kommunikation›,
Fachtagung für Kommunikation ‹öffentlich wirken› , 3. und 4. November 2017, Bochum, www.oeffentlich-wirken.de, Trailer: youtu.be/185oOE3aHug
Ihre Ansprechpartner:
Daria und Harald Thon, oeffentlich-wirken(at)thon(punkt)de, Tel. +49 231 69 79 19
Michael Wetenkamp
Die Oktober-Ausgabe des Info3-Magazins ist dem Thema „Kleinkinder“ gewidmet. Was brauchen kleine Kinder? Was brauchen Eltern? Welche Auswirkungen hat der frühe Medienkonsum auf das Bindungsverhalten von Eltern und Kindern? Wie gelingt die Entwicklung zur Selbständigkeit und was ist der Unterschied zwischen Reifung und Entwicklung? Wo bietet Förderung Unterstützung und wann überfordert die Umwelt? Ein prall gefülltes Heft erwartet Sie:
„Die Entdeckung der Welt“ – eine Wanderausstellung, die derzeit im Museum Baselland, Liestal/Schweiz, Station macht, möchte die Erlebniswelt kleiner Kinder erfahrbar machen und das Bewusstsein für die Fragen der frühen Kindheit sensibilisieren. Der „Verein Stimme Q“, der die interaktive Ausstellung ins Leben gerufen hat, möchte eine Diskussion zur Qualität der Frühförderung in der Kindheit anregen. Denn der Wissensstand sei hier, so Vereinsvorstand Heinz Altdorfer, bei den Schweizern äußerst gering: „Wir haben fast keine Informationen über Kleinkinder in der Schweiz. Da wissen wir noch mehr über unsere Hühner als über unsere Kinder.“ Zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehören deshalb insgesamt 70 Veranstaltungen in Kitas, Bibliotheken, Spielgruppen und dem Hebammenverband. Weiter
Die neueste Ausgabe der Zeitschrift Mensch und Architektur ist dem Thema „Partizipation. Soziale Prozesse in der Architekturgestaltung“ gewidmet und geht in einer Vielzahl von Fachbeiträgen der Frage nach, wie Beteiligung in Architektur, Stadtplanung oder Freiraumgestaltung aussehen und gelingen kann. Wohnraum ist nicht Objekt und Ware, sondern Lebensgrundlage: Seit den 1960er Jahren gibt es Bestrebungen, die zukünftigen Nutzer von Häusern, ihre Bedürfnisse und Lebenskontexte, in den Prozess von Planung und Entwurf mit einzubeziehen. Architekten sind in dieser Hinsicht, bevor sie als Gestalter oder Künstler tätig werden, Mediatoren, Koordinatoren und Organisatoren. Was sie brauchen, um Prozesse der Partizipation in Gang zu bringen oder zu unterhalten, nennt Martin Riker „die geistigen Grundlagen für den Prozess des Entwerfens entwickeln“.
Wie kleinteilig und mühsam es ist, diese Grundlagen zu schaffen, zeigt sich etwa bei der Lektüre des Beitrags von Hyco Verhaagen, der einen Planungsworkshop für die Freiraumgestaltung eines Wohnprojektes in Utrecht/Niederlande detailliert beschreibt. Deutlich wird: ein wichtiger Faktor ist immer wieder, die Prozesse so zu gestalten, dass niemand sich abgehängt fühlt. An der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn wurde eigens ein Institut für Prozessarchitektur gegründet, dessen Anliegen, Teilhabe in allen Bereichen der Planung und Organisation zu verankern, Willem-Jan Beeren und Florian Kluge erörtern. Wärme schaffen durch Empathie und Fragen, darin sieht Karl-Dieter Bodack, der als Sachverständiger auf Seiten der Projektgegner von Stuttgart 21 mitgewirkt hat, einen wesentlichen Aspekt für das Gelingen von Partizipation. Sind – wie in Stuttgart – die Fronten erst einmal verhärtet, könne auch ein partizipatives Verfahren nicht weiterhelfen. So gibt es geglückte und weniger geglückte Versuche der Beteiligung im Bereich der Planung von Wohn- und Lebensräumen: Andrea Schmidt stellt im Gespräch mit Martin Riker den Prozess der Neugestaltung eines Kinderheimes vor, Meinhard Hansen berichtet von seinen Erfahrungen mit einer Baugemeinschaft in Freiburg, Nikolaus von Kaisenberg entziffert am Beispiel einer Schule Architektur als unfertig und Partizipation als eine unhintergehbare Tatsache: Wir sind immer in Resonanz – die Prozesse der Verständigung sind jedoch nur dann fruchtbar, wenn wir sie von Störfaktoren entrümpeln und die „verborgenen Dialoge“ erkennen, die einzelne Gebäudeteile mit ihren Nutzern oder Teile von Gebäudeensembles miteinander führen. Der Prozess der Gestaltung ist bereits da – die Frage ist, wie wir ihn weiterführen. (sk)